Rezension

Schmutzige Geschäfte in der Nachkriegszeit

Rattenlinien - Martin von Arndt

Rattenlinien
von Martin von Arndt

Bewertet mit 5 Sternen

„...Wir wollen keine gute und wir wollen keine schlechte Presse, wir wollen gar keine, das ist das Geschäft der Nachrichtendienste...“

 

Kommissar Andreas Eckart lebt seit 12 Jahren in der USA im Exil. Sein Freund Liam hat ihn nicht nur aus Deutschland gebracht, sondern ihm auch eine Wohnung in seiner Villa gegeben.

Seit kurzem ist der Krieg in Europa vorbei. Als Colonel Howard Swartz in der Villa erscheint, weiß Eckart noch nicht, dass für ihn das nächste Abenteuer seines Lebens beginnt.

Der Autor hat einen spannenden Politthriller geschrieben. Im Mittelpunkt steht die Rattenlinie, ein Fluchtweg durch Südtirol und Italien, der ehemaligen Nazigrößen eine neue Zukunft in Übersee ermöglicht. Das Buch lässt sich zügig lesen und hat mich schnell in seinen Bann gezogen.

Eckart spricht perfekt italienisch. Zusammen mit Vanuzzi, einem amerikanischen Kollegen, soll Eckart die Flucht des SS-Obersturmbannführers Wagner verhindern. Wagner war einst ein Untergebener von Eckart und mit Beginn des NS-Regimes sein erklärter Feind. Dabei wird ihnen allerdings klar gemacht, dass sie auf sich allein gestellt sind und im Ernstfall keine Unterstützung des CIC, dem amerikanischen Geheimdienst, erwarten können.

Der Schriftstil des Buches ist abwechslungsreich. Es gibt spannende und rasante Szenen, denn Wagner scheint den Ermittlern immer einen Schritt voraus zu sein. Betroffen machen die kursiven Teile, die zeigen, wie brutal Wagner mit Rosenberg, eine jüdischen Kriminalisten, umgegangen ist.

Eckart begibt sich auf seiner Recherche nicht nur nach Südtirol, sondern auch nach Rom. An beiden Stationen wird sachlich beschrieben, wie leicht es den SS- und Gestapoleuten gemacht wurde, unterzutauchen. Speziell in Südtirol konnten sie mit der Unterstützung eines Teiles der einheimischen Bevölkerung rechnen. Aufgedeckt wird auch die Rolle des Roten Kreuzes und der katholischen Kirche. Es macht betroffen, wie schnell das während des Krieges Geschehene verdrängt und Täter zu reuigen Katholiken gemacht wurden..

Die Landschaft wird mit treffenden Metaphern beschrieben. Die Eiseskälte auf den Gipfeln und Wegen während des Wartens war fast nachfühlbar. Auch Eckarts Erschütterung beim Anblick des durch Bomben zerstörten Münchens wirkt authentisch.

Natürlich gibt es an passenden Stellen einen Rückblick auf Eckarts Leben und seine persönlichen Erfahrungen mit Wagner.

Bald zeigt sich, dass der amerikanische Geheimdienst sein eigenes Süppchen kocht. Im Kampf gegen die rote Gefahr sind alle Mittel erlaubt. Als Eckart Swartz auf die Schliche kommt, fällt nicht nur obiges Zitat, ihm wird unverhüllt gedroht. Überhaupt gehören die Dialoge zu den besonderen stilistischen Höhepunkte. Hier wird es konkret und manchmal heftig.

Ein Verzeichnis der Zitate, ein Glossar und Übersetzung fremdsprachiger Begriffe ergänzen das Buch.

Das Cover mit der einsamen Hütte vor dem schneebedeckten Gipfel wirkt bedrückend.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es zeigt in einer fesselnden Handlung das schmutzige Geschäft der Geheimdienste. Menschlichkeit und Gerechtigkeit spielen keine Rolle mehr, wenn es um eigene Interessen in der Weltpolitik geht. Leider hat sich daran bis heute wenig geändert!