Rezension

Schockierend, bewegend, packend, ein echter Fitzek und doch anders!

Noah - Sebastian Fitzek

Noah
von Sebastian Fitzek

»1972 haben unsere Kritiker gesagt, die menschliche Gesellschaft wird nicht so dumm sein und die Welt in eine Situation der Nicht-Nachhaltigkeit bringen. Aber dort sind wir angekommen. Der einfachste Beweis: Heute wird doppelt so viel Treibhausgas emittiert, wie die Ozeane und Wälder absorbieren können.« (Jorgen Randers, Club of Rome)

Schon 1972 hat Jorgen Randers, der heute auch dem Nachhaltigkeitsrat der British Telekom und des US-Konzerns Dow Chemical angehört, am ersten Bericht an den Club of Rome mit dem Titel die ›Grenzen des Wachstums‹ mitgearbeitet. Damals wurde in dem viel beachteten Bericht an den informellen Zusammenschluss von Wissenschaftlern und Wirtschaftsführern davor gewarnt, dass der Planet bereits in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts an seine physischen Grenzen geraten werde.

Der neue Bericht ›2052‹ beschreibt ein Bedrohungsszenario, das viele Kritiker für übertrieben halten, unter anderem wird behauptet: "Die Welt wird ein sehr gefährlicher Ort sein. Der Globale Norden wird Billionen von Dollar in Sicherheitsmaßnahmen investieren, um unerwünschte Einwanderung zu verhindern und sich gegen die Bedrohung durch kriminelle Banden und Terroristen zu wappnen."

Aber übertreibt Randers wirklich? Oder wird es sogar noch schlimmer?

Wir sind jedenfalls auf dem besten Weg diese Erde zu einem unwirtlichen Ort für unsere Nachkommen zu machen. Die radikale Ausbeutung der Natur, die Ressourcenverschwendung, und die Schadstoffbelastung werden nicht ungesühnt bleiben, die Klimaveränderung nicht spurlos an uns vorübergehen. Nach Berechnungen wird 2052 bereits der letzte Liter Erdöl verbraucht sein, denn die Menschheit hat es geschafft, Öl, das 250 Millionen Jahre zur Enstehung gebraucht hat in nur 250 Jahren bis auf den letzten Tropfen zu verbrauchen und das nicht nur zur Energiegewinnung, sondern für derart unnötige Dinge wie Tupper-Dosen.

Gegenwärtig stirbt auf unserer Erde jede Sekunde ein Kind an Hunger und Durst, während in der westlichen Welt die Menschen Fast-Food in sich hineinstopfen, ohne darüber nachzudenken was ein einziger Hamburger kostet, und damit ist nicht der Preis des Burgers gemeint. Für die Herstellung dieser ›Mahlzeit‹ werden 2400 Liter Wasser verbraucht. Angesichts der Tatsache, dass Millionen Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben mutet das nahezu skandalös an.

Die Wirtschaft kann nicht ewig boomen. Immer mehr Firmen müssen Konkurs anmelden, immer mehr Menschen wissen nicht mehr wie sie ihre Miete bezahlen sollen. Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot und Kriminalität nehmen zu.

Sebastian Fitzek greift in seinem neuen Thriller ›Noah‹ all das und noch mehr auf und verpackt aktuelle Fakten in einen Roman, der niemanden kalt lassen wird. Es ist sein bisher umfangreichstes Werk, was nicht nur für die Seitenanzahl gilt, sondern auch für die Schauplätze. ›Noah‹ ist sein erstes weltumspannendes Werk, auch weil die Themen uns alle betreffen.

Im 1. Kapitel führt uns Sebastian Fitzek nach Lupang Pangako, Quezon Citys größtem Slum im Großraum Manila, zu Alicia einer alleinerziehenden Mutter, die es nicht mehr schafft, ihre beiden Kinder Jay und Noel zu versorgen. Noel ist ein Säugling und auf Muttermilch angewiesen, die angesichts der Tatsache, dass Alicia seit Tagen nicht gegessen hat, versiegt. In einem Topf kocht sie Steine, um ihren älteren Sohn Jay davon abzulenken, dass es doch wieder keine Suppe geben wird, und er auch diesmal vor Erschöpfung mit knurrendem Magen einschlafen wird.

Jay ist ein Scavanger, der auf der Müllkippe Kupferdraht aus Kabeln pult, um das gewonnene Rohmaterial für ein paar Pesos zu verkaufen.

Alicia ist sicher, dass ihr Baby die nächsten Tage nicht überleben wird, wenn nicht ein Wunder geschieht. Doch dann kommt ein viel größeres Problem auf sie zu. Die Armee riegelt den Slum ab, niemand darf mehr hinaus, für Alicia und ihre Kinder das Todesurteil...

Dann switched der Roman, für Fitzek fast schon klassisch, nach Berlin. Im Mittelpunkt steht ein Obdachloser, der zusammen mit seinem Freund Oscar im Untergrund lebt. Sie schlafen in U-Bahngängen und -schächten, Essen bei der Wohlfahrt, so wie unzählige andere Heimatlosen in Berlin. Nur eines macht ihn besonders: er weiß weder wer er ist, noch wie er heißt oder wo er herkommt.

Alle nennen ihn ›Noah‹, weil dieser Name in krakeligen Buchstaben auf seiner Handfläche tätowiert ist. Aber woher kommt die Tätowierung? Ist das wirklich sein Name? Und warum kann er sich an nichts erinnern? Immer wieder blitzen Erinnerungsfetzen in seinen Gedanken auf, die ihm jedoch nur bedingt weiterhelfen und rasch enden.

Seinem Freund Oscar machen die Erinnerungslücken nichts aus, obwohl er ein Liebhaber von skurrilen Verschwörungstheorien ist. Seine eigenen abstrusten Theorien teilt er auch Noah mit. Zusammen läuft das ungleiche Paar, das sich trotzdem perfekt ergänzt durch Berlin. Sie passen aufeinander auf, wobei oft nicht klar ist, wer hier auf wen aufpasst.

Über allem schwebt eine dunkle Bedrohung, die sich Manila Grippe nennt und weltweit viele Tausende Menschen dahinrafft und für die es angeblich Impfstoffe gibt, an die aber nur die Elite der Bevölkerung rankommt. Keiner weiß, wo der Virus herkommt, doch sobald man sich angesteckt hat, ist es nur noch eine Frage der Zeit bis man stirbt. Ab dem Ausbruch der Krankheit hilft nämlich kein Medikament mehr.

Da wird Noah auf einen Zeitungsbericht aufmerksam in dem ein Bild abgedruckt ist, das ihm sehr bekannt vorkommt. Der Maler dieses Werks wird international gesucht und der Wert des Gemäldes wird mit 1 Million Dollar geschätzt.

Noah ruft mit den letzten Münzen bei der angegebenen Nummer an, gerät dabei an die Journalistin Celine, die in New York City lebt und ihm zuerst gar nicht glaubt, dass er der Maler ist. Erst als er ihr seinen vermeintlichen Namen sagt, wendet sich das Blatt. Bald ist ihm ein Auftragskiller auf den Fersen und Noah macht eine schockierende Entdeckung, die nicht nur ihn betrifft, sondern die ganze Welt bedroht...

Der Thriller zieht die Leser von Anfang an in das Geschehen. Ab der Szene mit dem Telefonat nimmt er richtig Fahrt auf. Eine atemlose und gefährliche Reise beginnt, die den Leser nach Rom, Manila, Amsterdam, New York, London und Paris führt, was für einen Roman aus Fitzeks Feder völlig neu ist, da seine bisherigen Romane ausschließlich in Deutschland spielen.

Aber das ist nicht alles, was an diesem Roman anders ist, als an den Vorgängern.

›Noah‹ ist Fitzeks zehnter Roman und diese runde Zahl gilt es zu feiern, vielleicht ist ›Noah‹ deshalb auch ein Ausnahmewerk des Schriftstellers, von dem er selbst zugibt, dass es ein sehr wichtiges, ein sehr persönliches Buch ist, und es ihm vermutlich schwerfallen wird, noch einmal einen vergleichbaren Thriller zu schreiben. Fans wollen natürlich nichts davon hören.

Richtig ist, dass Sebastian Fitzek am Zenit seiner Karriere angekommen ist. Wofür andere Jahrzehnte brauchen, gelang ihm innerhalb weniger Jahre. Seine Bücher wurden millionenfach verkauft und in 24 Sprachen übersetzt. Als einer der wenigen deutschen Autoren, erscheinen seine Romane auch in England und Amerika.

›Seelenangst‹ wurde für das Theater adaptiert und ›Das Kind‹ verfilmt. Aber noch nie war ein Roman derart perfekt für eine Verfilmung geeignet wie ›Noah‹, deshalb werden erste Anfragen sicher nicht lange auf sich warten lassen. Mit ›Noah‹ steht Sebastian Fitzek großen Thrillerautoren wie John Grisham, Robert Luldum, Dennis Lehane, und Dan Brown um nichts nach.

›Noah‹ ist ein Verschwörungsthriller der Spitzenklasse und hätte bei einer filmischen Umsetzung Blockbusterniveau.

Trotz all der Action im Roman, bleibt Fitzek ein Meister der Figurenzeichnung. Virtuos bringt er uns die Figur des Obdachlosen näher, was bei einem Menschen, der weder seinen Namen weiß, noch etwas über seine Vergangenheit, ganz sicher nicht leicht ist.

Aber schon in der ersten Szene, in der er dafür sorgt, dass ein minderjähriges, drogensüchtiges Mädchen einen Schlafplatz im Obdachlosenasyl ergattert, bekommt der Leser ein Gefühl dafür, um welche Art Mensch es sich bei der Hauptfigur handelt. Denn es ist der 14. Februar also bitterkalt in Deutschland und Noah muss dafür seinen eigenen Schlafplatz hergeben. Sehr einfühlsam bringt alleine dieses Kapitel den Lesern die Not der Obdachlosen näher. Obwohl jeder in unserer Bevölkerung weiß, dass es sie gibt, denkt kaum einer darüber nach, was es bedeutet auf der Straße leben zu müssen. Obdachlosigkeit und Armut ist eines der Kernthemen, das im Roman an verschiedenen Winkeln der Erde aufgerollt wird und vor allem durch die Überbevölkerung seit Jahren stetig zunimmt.

Obdachlosigkeit, Hunger, Armut, Kälte, Einsamkeit, Gleichgültigkeit und Menschenhandel sind keine fiktiven oder erfundenen Probleme, sondern allgegenwärtig.

Gepaart mit dem prägnanten, sich nicht mit seitenlangen Beschreibungen aufhaltenden, gewohnt packenden Schreibstil, macht das Sebastian Fitzeks neuen Thriller so eindrucksvoll und überzeugend.

Das Gelesene hallt noch lange nach, sorgt für jede Menge Diskussionsstoff und wird selbst diejenigen zum Nachdenken bringen, die bisher ihre Augen vor all diesen Problemen unserer Zeit verschlossen haben. Ob es noch rechtzeitig zu einer drastischen Umkehr kommen wird, um die globalen Auswirkungen abwenden zu können, sei dahingestellt.

›Noah‹ ist auf jeden Fall ein spannender Thriller, der von der ersten bis zur letzten Seiten fesselt und selbst Lesern gefallen müsste, die mit Fitzeks Psychothrillern bisher nichts anfangen konnten.

Der Autor versteht es meisterhaft, die Spannung konstant auf hohem Nivau zu halten. Kurze, knackige Kapitel, die stets mit einem Cliffhanger enden, sind eine Spezialität des Autors, seine lebensnahen Dialoge eine andere.

Die exklusive Hardcoverausgabe mit Lesebändchen veredelt jedes Bücherregal. Das Cover sorgt für einen zusätzlichen WOW-Effekt, sobald man es unter die Nachttischlampe legt.

Fazit:

Die Neuerscheinung des Jahres! Auf dieses Buch hat die Welt gewartet. Ein Must-Read für alle Thrillerfans und Fans von Sebastian Fitzek sowieso.

Wobei zu beachten ist, dass ›Noah‹ einem völlig anderem Schnittmuster folgt und in einem anderen Stil geschrieben ist, als Fitzeks Psychothriller, was manchen Fan irritieren könnte, für andere hingegen könnte genau das dazu führen jetzt erst Fitzekfans zu werden.