Rezension

Schön fürs Auge, nichts für ein Buch

Widerfahrnis - Bodo Kirchhoff

Widerfahrnis
von Bodo Kirchhoff

Bewertet mit 3 Sternen

Zwei Menschen, die sich vorher nicht kennen, brechen spontan nachts auf in Richtung Italien und durchqueren schließlich das ganze Land.
Dazu konnte es womöglich nur kommen, weil beide, beraubt durch ihren Beruf, der sie ursprünglich prägte, irgendwie nutz- und planlos geworden sind. "Was glauben Sie, wer wir beide sind? (...) Zwei, die Pleite gemacht haben, Sie mit einem Verlag, Reither, ich mit einem Hutladen. Und das nicht nur, weil es keine Hutgesichter mehr gibt. Nein, weil die Leute meine Hüte nicht mehr brauchen, wie sie Ihre Bücher nicht mehr brauchen, weil sie schon seit Jahren etwas ganz anderes wollen als handgemachte Hüte oder gute Bücher, das ist die Wahrheit."
Gerne beurteilt der männliche Protagonist Situationen danach, ob sie sich gut in einem Buch machen würden oder andererseits "schön fürs Auge, nichts für ein Buch" sind. Und "Widerfahrnis" ist dann der Titel, den sie ihrem Buch geben würde, "ein Titel, den er wohl hätte gelten lassen".
Der Schauplatz Italien zu einer Zeit, in der das Land von Flüchtlingen besiedelt wird, bietet Potenzial, allerdings erlebte ich die Figuren nur distanziert. Anstatt der Offenbarung ihrer Gefühle und Beweggründe während der langen Autofahrt, ist das gemeinsame Rauchen ein  präsentes Thema. Die Frau wird meist nur "die Palm" (also mit ihrem Nachnamen) genannt. Und wörtliche Rede wird nicht gekennzeichnet, was "dem Reither" sicherlich zusagen würde, der bemerkt: "die Grammatik muss sich dem Leben beugen, oder man lebt nicht, man denkt nur, man lebe". Aus diesen Gründen konnte mich der Buchpreisgewinner nicht ganz überzeugen.