Rezension

Schön geschrieben und ein toller Einblick in ein aufregendes Leben

Die Fotografin
von William Boyd

Bewertet mit 5 Sternen

"Irgendwie wusste ich, dass es in meiner Macht stand, die unerbittlich verrinnende Zeit anzuhalten und diese Szene, diesen Bruchteil einer Sekunde auf einem Foto zu bannen." S. 9f.

Es gibt viele Geschichten, die sich mit dem Leben eines Menschen befassen und berühren. Genau das geschieht auch bei diesem Werk. Allerdings auf eine sehr unaufdringliche Weise. Man beginnt das Buch zu lesen und verliebt sich nach und nach in die Protagonistin Amory Clay. Sie wirkt wie eine Weggefährtin, die einem etwas über sich selbst beibringen möchte und dabei dennoch ihre eigene Geschichte erzählt. "Die Fotografin" erstreckt sich mit acht etwas größeren Kapiteln, die jeweils mit "Erstes" bis "Achtes Buch" tituliert sind. Immer mit Angabe des dazugehörigen Zeitabschnitts. Während des Lesens nimmt man deutlich eine Veränderung war. Eine Veränderung der gesamten Atmosphäre, wie auch der Person Avory Clay. Das Buch vermittelt sehr getreu, den Wandel im Leben und auch die oft vorkommende Schnelllebigkeit. Auffallend für mich war unter anderem, dass die Sprache sehr zurückhaltend ist. Es gibt keine langen Passagen, die Unnötiges in die Länge ziehen. Man lässt sich einfach von der Geschichte mitreißen und wird von der starken Präsenz der Protagonistin mitgerissen. Wie sollte es auch anders sein, steht aber nicht nur das Private von Amory Clay im Vordergrund, sondern eben auch ihre Liebe zur Fotografie. Dieser Aspekt wurde für mich sehr gut herausgestellt und eingebunden. Es gibt zahlreiche schwarz / schweiß Abbildungen, die zusätzlich unterstreichen, wie begeistert Amory von genau diesen war und wie ihre Werke ausgesehen haben. Dabei sind sie nicht einfach als Anhang hinten an das Buch gesetzt worden, sondern spielen sich in den Text ein. Das Buch wirkt dadurch sehr stimmig und verbreitet das Gefühl, dass man tatsächlich Amory Clays persönliches Tagebuch liest. Die auftretenden Personen, die Amorys Leben prägen, versprühen eine besondere Atmosphäre in dem Werk. Sie spiegeln die Eigenschaften ihrer Zeit wieder und unterstreichen somit das Flair der Stadt in der sie sich befinden. Nicht nur Amorys Freunde, auch ihre Familienmitglieder sorgen für Ereignisse, die einem den Atem verschlagen.

"Namen sind bedeutsam, meiner Ansicht nach, sie sollten nicht leichtfertig vergeben werden - der eigene Name ist wie ein Etikett, das einen einordnet, klassifiziert, er bildet den Begriff, den man von Anfang an von sich selbst hat." S.17

Die Erzählweise empfand ich als sehr einzigartig, auch wenn sie keine sonderlichen Merkmale aufweist. Sie ist gefühlvoll und lässt einen an sehr vielen Stellen sentimental werden, ist aber keineswegs kitschig. Es gibt viele Verknüpfungen, die sich beinahe spielerisch zusammenfinden. Viele Stellen sind sogar charakteristisch für das ganze Werk. Wie auch das oben genannte Zitat. Denn durch die markante Erwähnung, des ungewöhnlichen Namens (Amory lässt eher vermuten, dass es sich um einen Mann handelt), entsteht auch das Gefühl, dass ihr gesamtes Leben in etwas ungewöhnlichen Zyklen verläuft. Dabei wird deutlich, dass deutlich die Frage nach der Zugehörigkeit im Vordergrund steht und die Suche nach sich selbst. Zunehmend wird der jugendliche Traum einer Frau, Fotografin zu werden, zu einer sehr ernsten Angelegenheit. Der Krieg und dessen Folgen, vor allem für die betroffenen Männer wird deutlich hervorgehoben. Der Roman ist daher sehr auf die Schwierigkeiten in der jeweiligen Zeit ausgelegt. Ich muss wirklich sagen, dass mir an dem Buch keine störenden Elemente untergekommen sind. Es ist einfach ein Buch, dass man mit einem gewissen Respekt für die Person liest und sich wünscht, man hätte sie persönlich gekannt. Das wirklich einzige, was mir gefehlt hat, war ein kleiner Anhang, in dem vermerkt wird, welche Informationen alle aus den tatsächlichen "Barrandale Journals" entsprungen sind und welche Einzelheiten der Autor sich vielleicht dazu gedacht hat. Natürlich kann man dies sicherlich anders in Erfahrung bringen, dennoch denke ich, hätte es die Gesamtheit des Werkes abgerundet. Der Schönheit der Geschichte hat dies aber sicherlich keinen Abbruch getan.

"Doch obwohl mir klar war, dass bunte Bilder die Welt zeigen, wie sie ist, wollte ich die Welt lieber so, wie sie nicht ist - einfarbig. [...] Die Besonderheit der Fotografie beruhte doch gerade auf dem schwarzweißen Bild - daher ihre Ausdruckskraft, während Farbe ihren künstlerischen Wert minderte." S. 398

_____________________________________________________________________________________

Wie verpackt man ein turbulentes Leben einer einzigartigen Person am besten in einem kompakten Buch? Genau so, wie William Boyd. Wunderschöne Geschichte einer Frau, die ihren Traum leben wollte. Nicht zu ausgeschmückt, sondern authentisch. Tolle Ergänzung durch die abgedruckten Fotos. Stellt nicht nur die Hintergründe des Lebens der Protagonistin heraus, sondern auch die Empfindungen und die Schwierigkeiten der damaligen Zeit. Von den schwunghaften, jungen, bis hin zu den vom Krieg geprägten Jahren, erlebt der Leser die Entwicklung einer Protagonistin mit, die in England beginnt und einmal gefühlt um die ganze Welt geht.