Rezension

Schön konzipiert, aber ohne spannende Höhepunkte

Glücksgefühl - Karolin Kolbe

Glücksgefühl
von Karolin Kolbe

Auf Glücksgefühl bin ich schon früh in der Verlagsvorschau des Verlages aufmerksam geworden. Besonders gereizt hat mich an der Geschichte, dass die Schauspielerei, wie der Klappentext schon vermuten ließ, in dem Roman zu einem ernsthaften Thema gemacht wird und tatsächlich als Lebensweg für einen jungen Menschen in Betracht zu kommen schien und nicht bloße Teenie-Träumereien waren, wie in manch anderen Jugendbüchern. Dass die Geschichte mich dann aufgrund fehlender Höhepunkte und spannender Wendungen leider doch nicht ganz überzeugen konnte, obwohl mich die Erzählstimmer der Protagonistin Nike beim Lesen sehr berühren konnte, fand ich persönlich sehr schade.

Nike wird als eine tiefgründige und nachdenkliche Protagonistin eingeführt, die sich gerne in die Leben anderer Menschen hineinversetzt und sich die Lebensumstände fremder Leute auf der Straße zusammenspinnt, um darüber in Tagträumen ihr eigenes, geregeltes und gewöhnliches Leben zu vergessen. Eine Eigenschaft, die ich an Nike sehr mag, da ich mich zum Teil selbst dabei ertappe, den Menschen gedanklich Geschichten anzudichten. Bei Nike wird diese Eigenschaft als Rechtfertigung dafür eingesetzt, weshalb sie sich für die Schauspielerei begeistern kann. Ich hatte jedoch den Eindruck, dass sie, abgesehen von diesem Charakterzug, als Hauptfigur sehr blass und kontrastlos bleibt, keine nennenswerten anderen Eigenschaften besitzt und sich deshalb zu wenig von den anderen Figuren der Geschichte abhebt. Nike ist sympathisch, aber nicht außergewöhnlich oder anders. Sie hat mich als Leserin zwar von Anhieb zu einer Freundin an ihrer Seite gemacht (was auch der Ich-Perspektive geschuldet ist), mich aber nicht vollends für sich eingenommen. Ich konnte mit ihr mitfühlen, aber mich nicht mit ihr identifizieren.

Mein größtes Talent besteht darin, das Leben anderer Leute zu leben. […] Wenn man mich dann aber fragt, was ich für ein Mensch bin, was mir gefällt und was in meinem Leben wichtig ist, dann werde ich stumm, beginne zu stottern oder ziehe mich mit einer Gegenfrage aus der Affäre. S. 7

Nike hat keine wirklichen Sorgen, wird von ihren Eltern behütet und unterstützt und darf sich ihre Zukunft frei gestalten. Vielleicht war es auch das, was mich an ihrer Figur gestört hat: Es gibt keine wirklich nennenswerten Hürden, keine schwierigen Herausforderungen, keine scheinbar unüberwindbaren Probleme, denen sie sich im Laufe der Geschichte stellen muss und die der Geschichte Abwechslung hätten verleihen können. Versteht mich nicht falsch, mir hat das Thema des Romans sehr gut gefallen. Die Idee, eine Adoleszenz-Geschichte über ein eher unscheinbares und schüchternes Mädchen zu schreiben, die über die Schauspielerei über sich hinauswächst und erwachsen wird, hat sehr viel Potenzial! Trotzdem plätschert die Geschichte nur so vor sich hin. Ein unscheinbarer Tag an der Schauspielschule löst den nächsten ab und keiner von ihnen bietet dem Leser mehr als die Aufregung Nikes darüber, ob sie sich im Unterricht behaupten kann oder ob sie ihren Schwarm Jasper auf den Schulfluren trifft.

Mein Herz klopfte laut, als ich auf die Bühne trat […]. In dem Moment, in dem ich die ersten Zeilen sprach, wurde ich die Frau Brigitte. Ich erwachte erst, als der Applaus aus dem Publikum des Schulsaals ertönte. S. 95

Ich hätte es sehr schön gefunden, wenn der Plot wenigstens einen einzigen wirklichen Höhepunkt gehabt hätte. Wenn sich in der Liebesgeschichte zwischen Jasper und Nike beispielsweise ein spannender Konflikt entwickelt hätte, der über ein harmloses Missverständis hinaus gegangen wäre. Wenn Nike sich mit ihren Eltern aufgrund ihres Auszugs heftig zerstritten und tränenreich versöhnt hätte. Wenn die emotionale Entfernung zu ihren alten Freundinnen für Zündstoff und Streit gesorgt hätte, sodass man als Leser mit Nike auf irgendeine Weise hätte mitfiebern, ihr ein Happy End hätte herbei wünschen können. Doch das war nicht der Fall. Die einzigen Szenen, bei denen ich das Herzblut und die Leidenschaft der Protagonistin durch die Zeilen gespürt habe, waren diejenigen, in denen Nike ihre Auftritte auf einer Theaterbühne intensiv erlebt und beschreibt. Karolin Kolbe hat in diesen wenigen Szene sehr schön die Stimmung und die Gefühle der Protagonistin eingefangen, sodass ich diese als meine persönlichen Höhepunkte der Geschichte verbucht habe.

Ich stellte mir vor, neben ihm auf der Bühne zu stehen, sein Haar hinter die Ohren gestrichen, ein leichter Glanz von Scheinwerferlicht auf seiner Stirn, ich würde seine Hand in meine nehmen und ihn ein Stück näher an mich ziehen. S. 101

Zu guter Letzt möchte ich jedoch noch einmal darauf eingehen, was mich an dem Roman fasziniert hat (und das hat es auch bis zum Schluss, trotz fehlendem Spannungsbogen). Sehr schön fand ich, dass Karolin Kolbe ihre Figuren in einem Setting ansiedelt, das realistisch ist und trotz der Thematik nicht übertrieben wirkt. Der Traum von der Schauspielerei muss kein Traum bleiben, sondern kann Wirklichkeit werden! Das macht die Autorin an Nike und ihren Klassenkameraden sehr schön deutlich. Für mich war es eine neue Erfahrung, den langen Weg zur Schauspielkunst einmal aus einer anderen Perspektive, aus der Sicht eines jungen, heranwachsenden Mädchens zu sehen, die ihre Erfahrungen erst noch machen muss und lernen muss, ihren Blick für die wichtigen Dinge im Leben zu schärfen. Der bildreiche und einfühlsame Sprachstil der Autorin hat dazu beigetragen, dass mir diese besondere Perspektive im Gedächtnis bleiben wird.

Fazit & Bewertung

Leider konnte mich Glücksgefühl von Karolin Kolbe wenig mitreißen. Obwohl die Idee für die Geschichte sehr schön konzipiert ist, fehlen ihr spannende Höhepunkte und überraschende Wendepunkte, um den Leser für das Geschehen zu begeistern. Sehr gut hat mir jedoch die Sprache der Autorin gefallen, die durch bildreiche und gefühlvolle Beschreibungen die Stimmung einzelner Szenen zum Thema Schauspielerei hervorgehoben hat.

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