Rezension

Schöne neue Welt.

Die Königschroniken: Ein Reif von Eisen
von Stephan M. Rother

Bewertet mit 4 Sternen

Es muss nicht immer Huxley sein!

Man merkt es dem Buch an, es ist auf seinen Folgeband hin geschrieben, was bei Königschroniken natürlich traditionsgemäß keineswegs verwunderlich ist. Als Einzelband ist dieser Fantasyroman jedenfalls vollkommen ungeeignet. Doch bereits im Januar 2018 soll der zweite Band „Ein Reif aus Bronze“ erscheinen.

Der geneigte Leser findet im ersten Band der Königschroniken eine neue Welt vor, die er erst einmal kennenlernen muss. Erfrorene Sümpfe und das Ahnengebirge im Norden, die kriegerischen Tief- und Hochlande, die vielen stolzen Städte im Mittelteil, die orientalisch anmutende Rabenstadt im Osten, die dem Kaiser gebührt und vom heiligen Baum der Esche getragen wird, Meere, heiße Wüsten und dergleichen mehr: faszinierend. Eine sehr hübsche Karte, ein Stammbaum und ein Personenverzeichnis, das man zu Anfang öfter studiert, erleichtern das Einleben.

Neben dem Setting wird die Bühne für die diversen Protagonisten bereitet. Von drei verschiedenen Ecken dieser Lande her treten die Handlungsträger auf. Morwa mit seinen kriegerischen Stämmen im Norden, vom Westen her kommt ein vorhergesagter Retter, um allerhand Abenteuer mit dem Leser zu bestehen. Von der Prophezeiung her ist er derjenige, der den Zorn der Vergessenen Götter besänftigen soll. Dieser Zorn hat in Carcosa schon Verheerendes angerichtet. Im orientalischen Osten, dem Sitz des Kaisers, wird eine Gefangene aus der Wüste festgehalten: Sowohl das Setting wie auch die Personen sind liebevoll und detailliert ausgeformt.

Ganz neu ist die vorgestellte Welt jedoch nicht, sie erinnert mit Absicht und vorsätzlich an das Mittelalter. So ist der Hegemoniestreit zwischen weltlicher und religiöser Macht keine Unbekannte in der Historie. Überhaupt erspürt der Leser die Lust des Autors, mit gesetzten historischen Fakten zu spielen. Hübsch!

Was geschieht sonst noch? Die Themen der Geschichte werden gesetzt.

Das Sprachvermögen des Autors ist prinzipiell gut und sicher, er spielt mit dem Satzbau und der Grammatik. Oft ist sein Stil gewollt pathetisch, dem mittelalterlichen Setting geschuldet, steht jedoch im Fortschreiten der Geschichte auch in der Gefahr, abzugleiten, wenn geläufige Wendungen aus der Trivialliteratur verarbeitet werden. Warum nur? An mangelndem schriftstellerischen Können liegt es jedenfalls nicht, dass sie vorkommen, das merkt man dem Rest an. Und Adjektive sind des Meisters Fall: jede Dämmerung ist fahl, jeder Blick ist düster, auch wird wird gestöhnt und geseufzt und geflüstert, dass es eine Wonne ist und die Kälte kriecht in alle Knochen. Das kann man besser machen!

Abgesehen von dem Handlungsstrang, der im Norden beginnt, wo der Krieg martialisch und mit List und Tücke geführt wird, passiert nicht mehr allzuviel. Für meinen Geschmack gibt es viel zu viele Träume, Visionen und magische Verbindungen, vage Androhungen einer dunklen, dunklen Gefahr und zu wenig echtes Geschehen. Wenn man es hart ausdrücken will, ein wenig zu viel Geschwafel, denn der erste Band ist von der Handlung her teilweise schwammig.

Positiv hervorzuheben wären die absolute Abwesenheit von Zwergen, Orks und anderem, von den meisten Autoren für unverzichtbar gehaltenes Fantasyzubehör, vor allem von Prinzen, Drachen und Prinzessinnen. Ein weiteres schriftstellerisches Highlight ist der gekonnte Umgang mit Gewalt: es gibt sie, klar, aber so geschickt verpackt, dass sie „nicht weh tut“. Die Dialoge sind keine Reißer, aber enthalten manche zeitlose Wahrheit und sind in der Regel recht gut gemacht. Ausserdem gibt es keinen blöden Frager, der von einem etwas weiseren Protagonisten, Antworten enthält, eine Erzählmethode, die man sehr, sehr gut können muss, damit sie nicht plump wirkt und die plumpe Variante hasse ich geradezu. Der Autor löst das viel besser, indem er Fragesätze ins Geschehen wirft, davon jedoch ein paar zu viel. Ja, schwierig ist es, das rechte Maß zu halten!

Insgesamt mochte ich das erste Drittel sehr, den Mittelteil empfand ich als schwächer und der Schluss war wieder richtig gut.

Fazit: Der erste Band macht durchaus Lust auf den zweiten und ich will unbedingt wissen, wie es in der schönen, neuen Welt, die auch die alte ist, weitergeht. Wird sie eine bessere sein als unsere?

Kategorie: Fantasy
Verlag: Rowohlt, 2017

Kommentare

Giselle74 kommentierte am 29. Oktober 2017 um 22:36

Siehste, Du lobst Herrn Rother ausreichend, da muss ich ja nicht auch noch. Außerdem hatte ich keine Ahnentafel...

wandagreen kommentierte am 30. Oktober 2017 um 08:53

What? Wie gemein. Ohne sie ....

Giselle74 kommentierte am 30. Oktober 2017 um 09:47

...ist mein Leben nun fahl und düster. Ich seufze und stöhne und hoffe auf eine Vision. Oder so...

Steve Kaminski kommentierte am 30. Oktober 2017 um 08:53

Ohne Orks? Ohne Zwerge? Und ohne Drachen - also auch keine Dracheneier?????? Dann ist es vermutlich gar keine Fantasy, sondern ein Tatsachenroman, was Dokumentarisches???

Deine Rezension liest sich vergnüglich: "... jede Dämmerung ist fahl, jeder Blick ist düster, auch wird wird gestöhnt und geseufzt und geflüstert, dass es eine Wonne ist und die Kälte kriecht in alle Knochen." Etc.

Galladan kommentierte am 06. November 2017 um 17:12

Die gewählte Sprache ist sowas von Rollenspieler/Mittelaltermarkt. Da habe ich mich gleich heimisch gefühlt. Seufz.

Schöne Rezi. 

E-möbe kommentierte am 26. Januar 2018 um 19:47

Gally UND du UND ich? Die ein und dasselbe Buch gut finden? Muss Magie sein. ^^