Rezension

Schöne Wiener Geschichten

Der falsche Held - Mart Schreiber

Der falsche Held
von Mart Schreiber

Bewertet mit 4 Sternen

„...Der Alltag ist die wahre Prüfung für eine Liebe...“

 

Das Buch enthält vier Erzählungen. Alle spielen in Wien und haben einen Bezug zur dortigen U-Bahn. Trotzdem ist jede Geschichte anders.

In der ersten Erzählung kommt Sven einer jungen Frau in der U-Bahn zu Hilfe. Später aber sieht diese dessen Bruder Erik und hält ihn für Sven. Erik lässt das so stehen. Dann erfährt Sven davon. Gut beschrieben werden die Handlungsorte. Es ist bitter, Svens Veränderungen zu erleben. Nach und nach verliert er wegen seines Tuns meine Sympathie als Leser. Erik allerdings hat sie nie gehabt.

Clemens ist frisch verliebt. In der U-Bahn spricht ihn eine junge Frau an, die von seiner positiven Ausstrahlung fasziniert ist und steckt ihm einen Zettel mit ihrer Telefonnummer in die Tasche. Als dieser Zettel seiner Freundin in die Hände fällt, ist nichts mehr, wie es war. Obiges Zitat stammt aus dieser Geschichte. Hier darf ich als Leser eine Achterbahn der Gefühle miterleben.

Pierre, ein junger Bankmitarbeiter mit algerischen Wurzeln, sieht, wie eine Mann die U-Bahn verlässt und unter seinem Platz einen Rucksack vergisst. Ein ungutes Gefühl lässt ihn den platz wechseln. In der Bank erfährt er von einer Bombenexplosion in der U-Bahn. Er stellt sich als Zeuge zur Verfügung. Das wird sein Leben auf den Kopf stellen. Die Geschichte wird sehr sachlich erzählt und steckt doch voller unguter Gefühle. Das geht los mit der latenten Angst vor einem Anschlag und setzt sich in Pierres Hilflosigkeit fort.

Die letzte Geschichte war meine Lieblingsgeschichte. In dieser Erzählung beweist sich die Liebe im Alltag. Karl hat für seine Frau Henriette anlässlich ihres 80. Geburtstages einen Ausflug zu dem Park geplant, den sie häufig mit ihren Kindern besucht haben. Mit den Kindern aber ist an diesem Tag nicht zu rechnen. Karl hat für einige Eventualitäten vorgesorgt, denn Henriette ist dement und teilweise in den Zustand eines Kleinkindes zurückgefallen. Deutlich wird, wie liebevoll er ihre Unzulänglichkeiten erträgt. Allerdings muss er erleben, dass die Umwelt das ganz anders empfindet. Dadurch kommt er an seine Grenzen.

Die ersten drei Geschichten sind circa 60 Seiten lang, die letzte nur 30 Seiten. In jedem Fall werden die Protagonisten gut charakterisiert. In den ersten drei Geschichten sind es keine glatten Charaktere, sondern jeder hat seine Ecken und Kanten, seine Stärken und Schwächen.

Das Cover mit dem Bild der U-Bahn passt zu den Geschichten.

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Dabei hat mich auch nicht gestört, dass die Geschichten ein offenes Ende hatten. Das Wesentliche war erzählt, der Rest blieb meiner Phantasie überlassen.