Rezension

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Schöner Schreibstil, aber zu viele Nebenhandlungen

Und damit fing es an - Rose Tremain

Und damit fing es an
von Rose Tremain

Gustav lebt mit seiner Mutter alleine in einem kleinen Ort in der Schweiz. Eines Tages kommt Anton in seine Schulklasse, der unglücklich ist, weil er aus Bern hergezogen ist und seine alte Heimat vermisst. Gustav versucht ihn zu trösten und legt so das Fundament für eine lebenslange Freundschaft, die allerdings Höhen und Tiefen überstehen muss.

Der Schreibstil ist leise und poetisch, aber doch eindringlich. Viele kleine Sätze regen zum Nachdenken an. Als Beispiel sei Folgendes genannt: „Aber ist Neutralität nicht ein moralisches Verbrechen?“ (S. 157) fragt Erich seinen Vorgesetzten und dessen Frau bei einem gemeinsamen Abendessen.

Die Charaktere sind zerrissen und vielschichtig, aber nicht unbedingt sympathisch. Besonders eindringlich empfand ich Gustavs Mutter, die lieblos und hart gegenüber ihm, aber auch sich selbst war. Gustav hilft seiner Mutter, in einer Kirche zu putzen. Dabei kommen immer wieder Besucher herein. „Gustav beobachtete sie von seinem Kissen aus und stellte fest, dass fast alle alt waren. Sie erschienen ihm wie unglückliche Wesen, die keinen heimlichen Schatz besaßen. Er dachte, dass sie vielleicht nicht „die richtige Art Leben“ führten, und überlegte, ob das „richtige Leben“ möglicherweise in den Dingen lag, die nur er allein sehen konnte – Dingen, die unter irgendeinem Gitter verborgen waren, über das die meisten Menschen achtlos hinwegschritten.“ (S. 17) Eine für mich sehr eindringliche Textstelle.

„Wir müssen die Menschen werden, die wir schon immer hätten sein sollen.“, sagt Anton (S. 327). Das bedeutet immer einen großen Schritt für jeden mit Veränderungen für einen selber und für andere. Ein roter Faden war für mich das Thema des Verrats und der Sklaverei in Bezug auf Gefühle und Verpflichtung.

Der Anfang des Romans ist sehr stark und nahm mich direkt für das Buch ein. Leider verzweigte sich die Geschichte immer mehr in Nebenhandlungen, die eher verwirrend als erklärend wirkten. Dadurch zerfaserte der Roman und schaffte es erst im letzten Drittel wieder in die Spur zu kommen. Dazu trug wahrscheinlich auch die irreführende Klappentextbeschreibung bei, die sich auf die Freundschaft von Gustav und Anton konzentrierte, während dies im Buch selber nicht der Fall war.