Rezension

Schönes Jugendbuch mit wichtigem Thema

Als ich Amanda wurde - Meredith Russo

Als ich Amanda wurde
von Meredith Russo

Bewertet mit 4.5 Sternen

Inhalt

In Lambertville bei ihrem Vater will die 18-jährige Amanda neu anfangen. Einfach ganz normal ihr letztes Highschooljahr beenden und dann so weit weg wie möglich aufs College. Dorthin, wo es mehr Menschen wie sie gibt. Denn Amanda ist transsexuell und nach all dem Mobbing, Unverständnis und den angewiderten Blicken, die sie ertragen musste, tut sie nun alles, um ihr Geheimnis zu wahren. Doch das ist gar nicht mehr so leicht, als sie echte Freundinnen findet und sich zum ersten Mal so richtig verliebt.

Meinung

Auf dieses Buch stieß ich, als ich auf der Suche nach Literatur zum Thema Transgender war, und war besonders begeistert davon, dass es von einer Trans-Frau verfasst wurde. So bekommt man beim Lesen und insbesondere beim Vor- und Nachwort das Gefühl, dass hier einige echte Erfahrungen verarbeitet und mit sehr viel Einführungsvermögen vorgegangen wurde, durch das sich Trans-Menschen vielleicht besser verstanden fühlen, als wenn es jemand Außenstehendes geschrieben hätte.

Meredith Russo verwendet mit Amanda die wohl bekannteste Form von Transgender: die Transsexualität. Auch ist sich Amanda dieser von Anfang an bewusst und hat sich schon immer eindeutig als Mädchen gefühlt - ein Lebenslauf, der, wie Russo betont, nicht bei jedem Trans-Menschen so klar und eindeutig abläuft. Sie erklärt jedoch verständlich, dass sie Amanda als Figur so gewählt hat, um Leser*innen, die sich mit dem Thema noch nie befasst haben, einen möglichst einfachen Zugang dazu zu gewähren. In Ihrem Nachwort an ihre Trans-Leser*innen (das vom Verlag leider nicht entsprechend gegendert wurde, obwohl gerade da „Leser/innen“ keinen Sinn ergibt) erwähnt sie jedoch auch die verschiedenen anderen Formen von möglichen Geschlechtsidentitäten und weist darauf hin, dass man in jedem Fall ein toller Mensch und es wert ist, geliebt zu werden. Zum Teil kommt die Tatsache, dass es auch Menschen gibt, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht eindeutig zuordnen, auch in Erzählungen über Amandas Selbsthilfegruppe vor.

Trotz ihrer eindeutig weiblichen Geschlechtsidentität ist Amanda kein klischeehaftes Mädchen und erfüllt damit angenehmerweise keine sozialen Rollenklischees. Sie mag Make-up und Kleider, ist jedoch auch riesiger Star-Wars-Nerd, liest gerne Comics, spielt Videospiele und hört gerne Techno-Musik - Hobbys und Interessen, die gesellschaftlich oft eher Jungs zugeschrieben werden.
Auch in ihrem Umfeld finden sich sehr unterschiedliche Typen von Frauen, was angenehm zu lesen war.
Irritiert hat mich allerdings, wie oft Amanda von vielen verschiedenen Leuten gesagt wurde, wie hübsch sie doch sei. Möglicherweise sollte das betonen, dass sie nach ihrer geschlechtsangleichenden OP und der Einnahme weiblicher Hormone nun wie eine „normale Frau“ aussieht, doch ich fand es zum Teil eher gruselig und sexistisch, da einige Bemerkungen sie sehr auf ihr Aussehen reduzierten.

Obwohl Amanda ein „eindeutiger Fall“ in dem Sinne ist, dass ihr ihre Geschlechtsidentität schon früh bewusst war, beschreibt der Roman durchaus auch, dass der Weg dazu, als Amanda zu leben, kein Zuckerschlecken war. Zuweilen ist es fast schon körperlich schmerzhaft mitzuerleben, wie Amanda (damals noch als Andrew) wegen der fehlenden „Männlichkeit“ ihren Vater enttäuschte, als „schwul“ gemobbt und sogar bis zu einem Selbstmordversuch getrieben wurde. Durch die verschiedenen Figuren des Romans stehen konservative, streng religiöse Personen, die alles Neue und Fremde ablehnen, in krassem Kontrast zu aufgeschlossenen, die vielleicht selbst etwas verbergen, und machen deutlich, wie schwer es sein muss, mit so einem Geheimnis zu leben, das man nicht allen anvertrauen kann, weil man Angst haben muss, dafür ausgestoßen zu werden.

An anderen Stellen wiederum macht das Buch auch Hoffnung und gute Laune, beispielsweise in den unbeschwerten Momenten, die Amanda mit ihren Freundinnen erlebt, bei der Annäherung an ihren Vater, der sie zu Beginn des Buches zum ersten Mal offen als Frau leben sieht, und bei den vielen nerdigen Star-Wars-Insidern, die sie mit Grant hat.
In dieser Hinsicht zeigt der Roman, dass er im Grunde ein ganz normales Jugendbuch ist und erzählt eine schöne Geschichte über Familien, Freundschaften und die erste Liebe.

Gut gefallen hat mir auch, wie Religion und Glaube, auch im Zusammenhang mit Transsexualität, im Roman behandelt werden. Denn während ihre Gemeinde Amanda ausgestoßen hat, weil Transsexualität ihren Glaubensgrundsätzen widerspreche, betont Amanda, dass sie immer noch an Gott glaubt und daran, dass er alle seine Kinder liebt.
Für Trans-Menschen, die an ihrem Glauben festhalten, auch wenn nicht alle Angehörige dieses Glaubens sie akzeptieren wollen, kann dies sicher tröstend sein

Ebenfalls eine Anmerkung wert: „Als ich Amanda wurde“ handelt nicht nur von einer Trans-Frau und wurde von einer geschrieben, sondern hat auch ein Trans-Model (Kira Conley) aus dem Cover. Eine tolle Geste des Original-Verlages, wie ich finde, die dtv unterstützt, indem sie das Original-Cover übernommen haben.

Fazit

„Als ich Amanda wurde“ ist ein schönes Jugendbuch über Familie, Freundschaft und die erste Liebe und zudem auch eine tolle Einführung in das Thema Transsexualität, das vor allem die Schwierigkeiten und die Ablehnung, der Trans-Menschen begegnet, auf berührende Weise darstellt.