Rezension

Schräg und poetisch

Der Freund der Toten - Jess Kidd

Der Freund der Toten
von Jess Kidd

Bewertet mit 4 Sternen

Im abgelegenen irischen Dorf Mulderrig kommt im Jahr 1976 ein junger, abgerissener Kerl mit langen Haaren und Lederjacke an. Dichter oder Großmaul, denkt der Wirt, und hat damit nicht so ganz Unrecht. Mahony ist Kleinganove, Hippie und eine Art Lebenskünstler, der in seinem Geburtsort Mulderrig das Verschwinden seiner Mutter vor 26 Jahren aufklären will. Doch die Dorfbewohner sind sehr misstrauisch und reserviert und wollen die Wahrheit, die wohl so mancher ahnt, lieber unter einem fest verschlossenen Deckel halten. Wer nun meint, eine Art Krimi vor sich zu haben, wird schon auf den ersten Seiten eines Besseren belehrt. Denn Mahony sieht die Toten, und das ist nicht im übertragenen Sinn gemeint. Er sieht sie in den Ecken der Bar, im Wald oder durch die Wände schweben, manchmal verraten sie ihm etwas, manchmal auch nicht. Das macht das Buch zu einer sehr bizarren, aber auch sehr poetischen Geschichte. Eine Art modernes Märchen, in dem auch von Mord- und Totschlag detailreich erzählt wird.

Im Dorf leben aber auch liebenswerte Gestalten, allen voran Mrs Cauley, eine exzentrische alte Schachtel, die trotz ihrer Gebrechlichkeit das Dorf fest im Griff hat. Sie ist der festen Überzeugung, dass Mahonys Mutter damals ermordet wurde und versucht mit allen Mitteln, die Wahrheit herauszufinden, um die Dorfbewohner zu ärgern und weil sie Mahony ins Herz geschlossen hat. Oder die junge Shauna, die Mahony ein Zimmer vermietet und sich Hals über Kopf in den charmanten, aber windigen Fremden verliebt.

Die Geschichte wird auf zwei Zeitebenen erzählt. Die eine spielt Ende der 40er, Anfang der 50er Jahre mit der Mutter Mahonys, der rebellischen Orla Sweeney im Fokus, die andere 1976 rund um Mahony und seiner Suche nach Wahrheit. Dabei kommt es immer wieder zu sehr skurrilen Situationen und Dialogen, Abschweifungen und Nebenhandlungen, was das Buch sehr originell und andersartig macht. Allerdings muss man sich die Mühe machen, sich auf die sehr poetische Sprache und die stellenweise sehr schräge Handlung einzulassen.