Rezension

"Schreiben heilt!"

Der Dichter der Familie - Grégoire Delacourt

Der Dichter der Familie
von Grégoire Delacourt

Bewertet mit 4 Sternen

Grégoire Delacourt - Der Dichter der Familie
 
"Mit sieben Jahren schreibt Édouard sein erstes Gedicht. Wie charmant! Die Familie ist entzückt, von jetzt an steht fest: Édouard ist der Dichter der Familie. Doch für ihn beginnt damit der unaufhaltsame Abstieg.."

Mit sieben Jahren schreibt der kleine Édouard seinen ersten "Vierzeiler", mit acht Jahren hat er bereits die erste Schreibblockade, mit neun fliegen ihm keine Reime mehr zu, er ist wie einer, der zu früh Talent hatte und mit zehn hat er Probleme in der Schule.

Das zu früh umjubelte Familiengenie scheint fast daran zu verzweifeln, es entzweit die Familie. Die Freude, die Édouard seinem Vater damals machte, wandelt sich in eine Depression, der Vater verlässt die Familie.
Die Mama hingegen blüht auf, ihre Schönheit erwacht und der Auszug des traurigen Ehemannes wirkt wie ein Jungbrunnen und sie genießt das Single-Leben in vollen Zügen. Es ist, als wirke sich Édouards fallendes Geschick auf das Glückseiner Familie aus.
Édouard kommt in ein Internat, dem ein strenger und verbitterter Jesuitenpater vorsteht. Immer wieder nimmt er Édouard seine Bücher weg und indiziert sie.
Édouard rächt sich mit Schmähschriften.
Die Psychoanalyse kommt in Mode und Édouard verpasst die ersten kurzen Röcke von Cacharel. Der Therapeut schweigt zurück und verschreibt ihm Valium, Édouard fühlt sich dumpf und motivationslos.
Sechs Jahre Internat in einem Jesuitenkolleg machen aus einen ehemals fröhlichen Jungen einen gebildeten Ignoranten, der die Jahre in nie erlebten Ereignissen misst. Von Jimi Morrison, den Paten, der freizügigen Mode der 70ger bis zu den BeeGees und sogar den Tokyo Tapes der Scorpions.
Er bedauert, weder die Geburt von U2 noch The Clash miterlebt zu haben, noch die Beatles "gesehn" zu haben.

Édouard ist ein erwachsener Mann und die richtigen Worte haben in ihm noch immer kein Zuhause gefunden, sein Roman liest sich wie ein Irrgarten und wird abgelehnt. Er ist enttäuscht und weiß nicht, wie er den Heimweg zu seiner erwartungsvollen Familie antreten soll, er lässt sich solange in wehmütigen Nichtgedanken treiben, bis der letzte Zug einfährt..

Es liest sich mit Leichtigkeit und Distanz zu den Figuren, typisch französisch, in Charakter und Handlung. Eine unbefangene Schwermut und immerwährende Sehnsucht.
Wie bei jedem Delacourt, fängt man erst einmal an zu lesen, gerät man in einen Sog, der einem erst auf der letzten Seite wieder ausspuckt.
Wer Delacourt mag, wird sich von Édouard und seiner Familie berührt fühlen.
Ich mag ihn..