Rezension

Schwierig...

The Girls - Emma Cline

The Girls
von Emma Cline

Bewertet mit 2 Sternen

Nachdem die enge und langjährige Freundschaft zu ihrer besten Freundin Connie in die Brüche gegangen ist, fehlt der vierzehnjährigen Evie Boyd zunehmend der Halt. Das sich so nach Liebe verzehrende Mädchen hat nun niemanden mehr, mit dem es verzweifelte Versuche, Haut und Haare in eine möglichst ansprechende Form zu bringen, somit beispielsweise durch kaltes Wasser ihre Poren zu verkleinern, unternehmen kann oder salzige Cracker essen kann, um dann schnell 10 Hampelmänner aus schlechtem Gewissen machen zu müssen. Da ihre Eltern seit einer Weile getrennt leben, stößt sie auch Zuhause nicht auf Zustände, die sie glücklich machen würden – denn was sie am meisten braucht wäre Beachtung.
Doch wer soll ihr die geben? Etwa ihr Vater, der mit seiner neuen Freundin weit fort in eine Wohnung gezogen ist, die durch die Dekoration alleine – wächsern glänzendes Obst in einer Schale auf dem Küchentisch – von einer ausschließlich für Erwachsene gedachten Zone zeugt? Oder Evies Mutter die, auf einem niemals enden wollenden Selbstfindungstrip, mit über Flammen erwärmten Kajalstiften Balken in das geschminkte Gesicht zaubert, bei denen Kleopatra vor Neid erblasst wäre? Kurz bevor sie sich ein Horoskop erstellen lässt und sich auf die Suche nach einem neuen Lebensgefährten macht? Wohl kaum.
Und so streift Evie durch den Ort – irgendwo in Kalifornien – bis sie eines Tages eine alles verändernde Begegnung hat. Vielleicht wäre „Begegnung“ das falsche Wort, aber immerhin sieht sie jemanden, der etwas in Evie bewegt: Im Müll nach Essbarem suchend, die schwarzen Haare lang und an den Rändern ganz ausgefranzt, trägt sie schmuddelig wirkende Kleidung und sieht selber auch nicht gerade wie frisch gewaschen auf. Diese Frau, wahrscheinlich nur ein paar Jahre älter als Evie, vielleicht 19 Jahre alt, stolziert mit so einer Freizügigkeit in Begleitung anderer, ebenso sonderbar wirkenden Mädchen, durch die Welt, dass Evie direkt in ihren Bann gezogen wird. Aber auch lange nach diesem Ereignis lässt die Erinnerung Evie nicht los.
Als sie dann ein paar Tage später wieder auf die Schwarzhaarige trifft, fühlt sie sich wie magisch angezogen und spricht das erste Mal mit ihr, Suzanne.
Um ihr noch näher sein zu können, folgt Evie Suzanne und den anderen Mädchen auf eine Ranch, die der behüteten Welt ihres Heims so fern scheint: Inmitten von Müll, in armen Verhältnissen, wohnen eine Reihe Hippies und fröhnen dem unbeschwerten Leben: Freie Liebe und eine Gemeinschaft, die zusammenhält – das sind die Gegebenheiten, die Evie ausschließlich wahrnimmt. Für sie ist die Ranch ein wunderbarer Ort.
Da sie zuvor immer wieder sexuelle Kontakte gesucht, jedoch nie das bekommen hatte, was sie wollte, beginnt sie sich von den Konventionen zu lösen, die sie von ihren Eltern kennt.
Beim Klang einer verstimmten Gitarre am lodernden Lagerfeuer, umgeben von Ausreißern bekommt sie das, was sie sich so sehr wünscht: Beachtung – und Liebe. Mit dem exessiven Konsum von Drogen scheint jedem alles möglich, die Welt steht ihnen offen.
Bald verfällt Evie nicht nur Suzanne und der Idee von Freiheit, sondern auch dem Anführer, Russell, dem seine Anhänger schier grenzenlose Kräfte nachsagen.
Aber hinter der Fassade nicht enden wollender Freiheit verbirgt sich etwas Dunkles, eine brutale Tat, die die ohnehin schon von den „normalen“ Bürgen verachtete Gruppe in ein noch schlechteres Licht rückt. Etwas, dass Evies Leben nachhaltig verändern und die Menschen in Angst versetzen wird…
Auch heute noch, als erwachsene Frau, ist Evie von der Vergangenheit gefangen. Gerade jetzt, als sie in dem leeren Haus eines Freundes Unterschlupf finden konnte und sein Sohn zusammen mit seiner Freundin auftaucht. Schließlich stellen Julian und Sasha unangenehme Fragen zur Vergangenheit, zu der Sekte – und den Morden…

Schon auf den ersten Seiten des Buches erfährt man beinahe den gesamten Inhalt, welcher dann aber, in vier Teile gegliedert, ausführlicher behandelt wird. Zu Beginn kam mir Evie wirklich armselig vor, wie sie hinter der Aufmerksamkeit von Männern her war und sich unter Einfluss zu vieler Teenie-Magazin genährten Phantasien (und Drogen) unglaublich viele Hoffnungen machte und den Druck auf sich verstärkte. Auch die Beschreibungen an solchen Stellen, wenn beispielsweise ein Raum beschrieben wird, der nach Masturbation riecht (S.50), oder das große Verlangen Evies nach körperlicher Nähe thematisiert wird, konnten mich wenig reizen.
Dazu kommt noch, dass ich von dem Anfang sehr verwirrt war: Irgendeine Person lebt in einem geliehenen Haus und hat etwas mit einer Sekte zu tun, wenn man zwei völlig zugedröhnten Jugendlichen, welche plötzlich auftauchen, Glauben schenken darf. Dabei springt die Erzählungen alle paar Zeilen, weil ein neuer Abschnitt beginnt. Aus den paar so erhaltenen Fetzten, konnte ich mir kein stimmiges Bild machen… Und fragte mich, wovon das Buch eigentlich handeln soll…
Nach und nach werden dann die Verhältnisse beschrieben, in denen Evie als Kind lebte. Manchmal war sie mir dabei so fremd, dann tat sie mir ein wenig Leid und als nächstes hätte ich sie am liebsten durchgeschüttelt… Immer wieder haben ihre Taten bei mir Entsetzten ausgelöst oder ich habe mich gefragt, wie man nur so verblendet sein kann… Eine Sympathieträgerin ist die Protagonistin in meinen Augen nicht…
Dem Buch diente die Manson-Family rund um Charles Manson als Vorlage. Vor dem Buch hatte ich noch nichts über Manson gehört oder gelesen, weswegen ich mich nach den ersten (äußerst verwirrenden) Seiten etwas über das Thema informierte. Das half mir beim Zusammenfügen der Fragmente ungemein, denn zuvor hatte ich den Zusammenhang der Hippie-Gruppe und kaltblütigen Morden nicht so ganz nachvollziehen können.
Allerdings muss ich sagen, dass ich mir mehr Inhalt erhofft hatte, denn im Prinzip bleiben noch viele Fragen offen: Wie konnte Russell – Charles Manson gleich – so viele Leute in seinen Bann ziehen, ihre Brieftasche öffnen oder was war die Lehre, auf die immer wieder angespielt wurde? Aus dem Buch jedenfalls geht das nicht hervor…
So bleibt es beim Lesen dieses Werkes wohl nicht aus, etwas über Manson zu lesen, um überhaupt nachvollziehen zu können, womit man es genau zu tun hat.
Auch wunderte ich mich beim Lesen darüber, wie schnell sich ein Mensch wandeln, wie schnell er seine Gewohnheiten und seine Manieren ablegen kann, um seinen neuen „Freunden“ besser zu gefallen…

Alles in allem lässt mich „The Girls“ zwiegespalten zurück: Zu Beginn war ich verwirrt und ärgerte mich beinahe durchgehend über Evie. Dann verbesserte sich allmählich die Sprache, denn der Schreibstil wurde bildhafter, kraftvoller und verlor etwas von der ständig mitschwingenden sexuellen Komponente. Diese tauchte später allerdings immer wieder auf, drängte sich in den Vordergrund und löste bei mir Genervtheit aus. Irgendwann ist ein Thema für mich auch zu genüge behandelt und muss nicht noch einmal aufgegriffen werden. Außerdem finde ich das Ganze, bedenkt man Evies junges Alter, extrem bedenklich, beachtet man auch, dass sie sich innerhalb von drei Monaten so „radikalisiert“. Auch stößt mir Übel auf, wie verbreitet Drogenkonsum in den beiden Erzählsträngen (1969 und Gegenwart) ist: Ob nun bei der 14 Jahre alten Evie und ihrer Freundin, dem gerade volljährigen Brunder Connies, auf der Ranch sowieso, bei dem zwölfjährigen Teddy (von Evie runtergemacht, weil sein Gras ja so minderwertig sei), bei der neuen Freundin von Evies Vater oder bei Julian und Sasha, die eigentlich nonstop unter dem Einfluss irgendwelcher Substanzen stehen.
Mir erscheinen die Charaktere nicht wirklich glaubhaft, viele Stellen wurden für meinen Geschmack zu sehr ausgearbeitet, andere hingegen nicht ausreichend behandelt. Dennoch ist das Buch wegen des (meist) sehr ansprechenden Schreibstiles sehr packend…

Und nun weiß ich, obwohl ich das Buch ganz gelesen habe, nicht so recht, was ich von ihm halten soll…