Rezension

Schwierige Mutter-Tochter-Beziehung

Wir kennen uns nicht - Birgit Rabisch

Wir kennen uns nicht
von Birgit Rabisch

Bewertet mit 5 Sternen

„...Denn nichts schenkt der Literatur so viel Lebendigkeit wie das Leben. So wurde ich zum Glanz in den Augen meiner Mutter, der Glanz der guten Hoffnung auf höhere Auflagenzahlen...“

 

Der Roman beginnt mit heftigen Worten einer Tochter an die Leser. Dabei rechnet sie mit ihrer Mutter, der Schriftstellerin Lena Löpersen, ab. Sie stellt Fiktion und Wirklichkeit gegenüber, die Fiktion ihrer Mutter gegen ihre eigene Wirklichkeit. Obiges Zitat stammt aus diesem Teil.

Die Autorin hat einen bewegende Roman über eine Mutter-Tochter-Beziehung geschrieben. Das Buch lässt sich zügig lesen und zwingt zum Nachdenken, nachdenken darüber, was eigentlich schief gelaufen ist. War es nur die fehlende Kommunikation? War es der Widerstreit zwischen der geliebten Buchtochter und den alltäglichen Forderungen des lebenden Kindes? Ab wann lebte man nebeneinander statt miteinander?

Das Besondere am Buch ist, dass ich als Leser beide Sichten auf das Leben und seine Probleme höre, denn mal kommt die tochter, mal die Mutter zu Wort.

Lisa, die Mutter, gehört zu der Generation, die hart um die Rechte der Frauen gekämpft haben. Aufgewachsen auf einer Hallig mit einem älteren Bruder an ihrer Seite ist sie schon früh aus den alten Verhältnissen ausgebrochen. Ihre Lebensgeschichte hat sie in mehreren Büchern verarbeitet.

Ariane, die Tochter, bekam viel Freiheit, ihr Leben nach ihren Wünschen zu gestalten. Doch es fehlte die emotionale Zuwendung.

Der Schriftstil des Buches ist ausgefeilt. Geschickt integriert die Autorin Arianes berufliche Aufgaben in die Beziehungsproblematik. Ariane ist Doktor der Biologie und arbeitet in der Verhaltensforschung mit Raben. Sehr gut gefallen hat mir die Beschreibung der Experimente. Sie zeigen, das sich in mancher Situation das Agieren und Reagieren der Vögel gar nicht so sehr von der menschlichen Spezis unterscheidet. Tricksen und Täuschen können beide hervorragend. Selbst der Einfluss von Zuneigung und Abneigung spielt im tierischen Nebeneinander eine Rolle. Tricksen und Täuschen hat Ariane auch erleben müssen. Erst spät erfährt sie, welche Rolle die Menschen in ihrer Umgebung wirklich in ihrem Leben gespielt haben. Erschütternd sind die Dialoge von Mutter und Tochter wegen ihrer inneren Leere.

Gut dargestellt wird Lisas Rückblick auf ihr Leben. Neben den Schattenseiten gab es auch Zeiten der Liebe. Doch was bleibt? Es ist eine gewisse Verbitterung zu spüren. Dazu trägt ebenfalls bei, dass die Generation ihrer Tochter eine anderes Frauenbild hat.

Das offene Ende lässt Raum für eigene Gedanken.

Das eher schlichte Cover zeigt, dass Schwarz und Weiß zwei Seiten des Lebens symbolisieren. Beides gehört zum Alltag.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Die Geschichte wird emotional dicht erzählt.