Rezension

Seelenverwandte

Ich bin der Schmerz - Ethan Cross

Ich bin der Schmerz
von Ethan Cross

Bewertet mit 4.5 Sternen

Stell dir vor, deine Liebsten werden entführt, dein Partner, eure Kinder. Sie werden betäubt sein, nichts davon mitbekommen, und sie kommen unversehrt zurück. Das hat einen Preis. Nein, kein Geld. Du musst jemanden töten, keine Polizei, bald. Sonst wird deine Familie grausam sterben. Der Architekt Josh tritt mit seiner Waffe vor den Mann. Der sagte:

„Ich bin ein ganz normaler Mann, der seine Familie wiedersehen möchte.“

„Ich auch“, sagte Josh und drückte ab. S. 29

Das ist die Grundhandlung zum furchteinflößenden „Anstifter“, und wenn man das liest, denkt man doch, wie viel lieber man es hat, wenn da ein Mensch tierlieb ist. Allerdings…mag er in diesem Falle Insekten. Sie waren die einzigen Lebewesen, mit denen er sich in seiner schlimmen Kindheit beschäftigen konnte, eingesperrt von seinem Vater. „Francis Ackerman junior fand die Natur schön und die Menschen unnatürlich.“ S. 327 Francis Ackerman junior ist ein Serienkiller, wie sein Vater, der ihn zu dem gemacht hat, was er ist: Sein Vater Francis Ackerman senior ist der gefürchtete Anstifter. Doch Francis junior hat auch noch einen Bruder, Marcus Williams. Einmal Cop, immer Cop, und das bei einer streng geheimen Organisation, den „Shepards“.

Was ich da geschrieben habe, ist mitnichten ein Spoiler, steht schon auf der Rückseite des Buches; hier geht es mehr um das „Wie“ und um die Dinge, die sich sonst noch ergeben, und das ist schon sehr spannend geschrieben. Die Geschichte baut sich auf in mehreren Haupt- und Nebenplots inklusive mehrerer fulminanter Finale, sehr actionlastig. Im Gegensatz zu Band 1 und 2 fand ich das dieses Mal sehr Buch-geeignet (davor passte es eher für einen Film). Das ist definitiv ein sehr harter Thriller, mit Folterszenen der übelsten Art, Sadismuswarnung mit Ausrufungszeichen (keine sexuelle Folter, falls das für jemanden wichtig ist als potentieller Leser). Tatsächlich dürfte es fast das Schlimmste sein; hier geht es darum, Menschen systematisch zu brechen und neu „zusammenzusetzen“.

Das Buch nimmt wie jeder gute Thriller/Krimi seinen Reiz aus dem Gegensatz „Gut“- „Böse“, noch getoppt dadurch, dass Serienkiller junior sich seinem Cop-Bruder verbunden und verpflichtet fühlt, wie, erzählen die beiden ersten Teile. Dafür hat der Cop-Bruder Sorge, inwiefern das Böse bei ihm durchbrechen könnte. Band 3 ist nicht annähernd so überzogen und unglaubwürdig und von Pathos durchsetzt wie die Vorgänger, jedoch gibt es so ein paar Grundaussagen, die auch hier nerven. Marcus geht ans Telefon, falls Killerbruder Frank anruft: „Dennoch, Familie blieb Familie, und außer Frank hatte Marcus niemanden mehr.“ S. 23 Was ein Quatsch, Marcus ist in einer anderen Familie aufgewachsen, erfuhr erst in den Vorbänden, dass er „ein Ackerman“ ist. Welche Bindung will der Autor hier zitieren? Ebenso: „Dennoch war Marcus‘ Wesen von Gewalttätigkeit, Düsternis und Brutalität geprägt.“

S. 24 Den Schrott lese ich auch seit Band 1 Seite 1, ohne dass sich mir gezeigt hätte, wo. Ja, Marcus hat Sorge, was er an Eigenschaften mit seinen Blutsverwandten teilt. Und als Cop muss er durchgreifen können. UND?? Ein wenig sehr „Erblehre“-lastig. Ebenso wieder US-lastiges pseudoreligiöses Geschwafel, aber irgendwie eher mit alt-testamentarischem Touch (Auge um Auge); insgesamt jedoch erfreulicherweise vieeel weniger als in den Vorbüchern (ich komme so auf 6 Stellen, vorher kam das gefühlt spätestens alle 6 Seiten).

Spannend waren die Bücher schon von Beginn an, dieses Mal konnte ich das auch genießen, von der echt kranken Darstellung des Psycho-Paps einmal abgesehen, die fand ich grenzwertig. Und: es war alles deutlich glaubwürdiger als „früher“. Und weiterhin mag ich Ackerman jun. nicht mehr wirklich widerwillig, wenn auch Marcus‘ on-off-Freundin Maggie mit dem Thema noch etwas hadert.

Insgesamt bin ich also durchaus angetan, das war ein echter Pageturner. Empfehlung für Hartgesottene, Fans von Dania Dicken, Rainer Löffler, jüngere Jo Nesbø-Bücher.

Ach ja, und: DIE GESTALTUNG. Ich fühle mich ja, wenn ich ganz ehrlich bin, Cover-Käufern immer etwas überlegen, aber ich bin der Gestaltung dieser Reihe verfallen. Ich werde demnächst wohl einen Gutschein beim Schweden meines Vertrauens für eine Wand-Vitrine zur Präsentation einlösen. Die Titel-Übersetzung ist weiter Käse, "Father of Fear", Vater der Furcht, wird "Ich bin der Schmerz"?!

4, 5 Sterne