Rezension

Sehr amerikanisch

Die Herzen der Männer
von Nickolas Butler

Bewertet mit 3.5 Sternen

Mit der Bewertung dieses Romans tue ich mich gerade sehr schwer. Schreibstil, Charaktere und auch die einzelnen Geschichten haben mir gut gefallen. Nur mit der Umsetzung und einem der Themen des Romans hadere ich.

Nickolas Bulter schreibt toll. Die Mischung aus ernsten Themen, Melancholie, Witz und Chaos bekommt er einfach großartig hin. Und der erste Teil des Buches, der im Pfadfindercamp spielt, war überaus vielversprechend. Alles, was mit Hauptfigur Nelson zu tun hatte, hat mir sehr gut gefallen. Den ehrgeizigen, nerdigen aber herzensguten Jungen, der von allen anderen geschnitten wird muss man einfach gern haben. Seine Stärke hat mir gefallen, seine Hintergrundgeschichte und die Entwicklung, die er durchmacht. Dann – eigentlich gerade als es spannend wird – macht die Geschichte einen Sprung von etwa 30 Jahren und wir begleiten Nelsons ehemaligen Pfadfinderkollegen Jonathan, der mittlerweile selbst einen Sohn im Pfadfinderalter hat. Nelson taucht hier, quasi als „graue Eminenz“, nur am Rande auf. Als neuer Sympathieträger gilt Teenager Trevor. Dann kommt ein weiterer Sprung und wir begleiten Trevors Ehefrau und seinen Teenagersohn, der mit dem Pfadfindern so gar nichts mehr anfangen kann. In diesem Teil erfahren wir zwar wieder mehr über Nelson, aber die Zeitsprünge, die wechselnden Charaktere und der starke Fokus auf Trevors Leben haben mich immer wieder aus der Geschichte geworfen. Ich wollte Nelson! Ich wollte keine bockigen Teenager und keine egoistischen Machomänner. Alles, was mich an diesem Buch berührt hat, hatte mit Nelson zu tun. Natürlich sind auch die Teile es Romans die sich eben nicht um Nelson drehen gut geschrieben. Und auch Trevors Geschichte ist an sich klasse. Er ist ein toller Charakter mit einem interessanten Leben aber in der Mischung war es mir insgesamt zu episodenhaft. Denn Butler lässt ja auch Sarah, Jonathan oder Wilbur zu Wort kommen. Mit zwei getrennten Geschichten hätte ich leben können aber mit der hier gewählten Gliederung bin ich leider nicht warm geworden.

Pfadfinder und – in etwas geringerem Umfang – Soldaten sind das durchgehende Thema des Romans. Das mit den Pfadfindern fand ich schön gemacht. Gerade die Darstellung über mehrere Generationen hinweg war passend. Das mit den Soldaten habe ich nur teilweise verstanden. Warum schickt ein Mann, der sein Leben lang mit den Folgen seiner Dienstzeit im ersten Weltkrieg zu kämpfen hat, einen Jungen auf eine Militärschule? Dass der dann zwangsläufig im nächsten Krieg landet und ebenfalls sein Leben lang unter Albträumen zu leiden hat muss doch klar sein. Nur zu Trevor schien das Soldatenleben irgendwie zu passen. Hin und wieder hatte ich den Eindruck, Butler wollte eine anti Kriegs- aber pro Soldaten-Geschichte schreiben.

Mein Problem ist nun, dass Die Herzen der Männer durchaus ein toller Roman ist, der mir auch gefallen hat und mich berührte. Nur eben nicht durchgängig. An Shotgun Lovesongs kommt er meiner Meinung nach nicht heran. Aber wer es „typisch Amerikanisch“ mag und wer eine gut gemachte Mischung aus Tragik und Komik schätzt, der kann hier durchaus zugreifen.

Kommentare

LySch kommentierte am 09. Februar 2018 um 18:26

Echt spannend und tolle Rezi! :) Eine andere Bücherfreundin sieht das mit den beiden Romanen genau andersrum! ^^
Naja, ich greife eh zuerst zu "Shotgun Lovesongs", weils schon auf dem SuB liegt! ;)

katzenminze kommentierte am 09. Februar 2018 um 19:22

Ich hab' auch schon gesehen, dass es jemand andersrum bewertet hat. Jaja, Geschmäcke sind verschieden. ^.^ Ich hätte jetzt auf jeden Fall Lust Shotgun Lovesongs zu rereaden. :D