Rezension

Sehr beeindruckend: mit nur kleinen Abstrichen

Fliegende Hunde - Wlada Kolosowa

Fliegende Hunde
von Wlada Kolosowa

Bewertet mit 4.5 Sternen

Es gibt sie doch! Gott sei Dank. Die Jungautoren, die was können, die wundervolle Sprachbilder entwerfen. Man wollte die Hoffnung schon aufgeben - was habe ich nicht alles lesen bzw. erdulden müssen in letzter Zeit! Aber Wlada Kolosowa, obgleich es auch Kritik gibt an ihrem Roman, begeistert mich. Ihr Buch ist schön!

Zwei sechzehnjährige Mädchen in Krylatowo, einem sozial benachteiligten Stadtteil von Petersburg. Lena gelingt der Sprung über einen, in ihrer Schule veranstalteten Modelwettbewerb nach Shangai, Oksana, neidisch, bleibt zu Hause und findet sich dick.

Wlada Kolosowa schreibt einen bittersüßen Roman über eine Mädchenfreundschaft, über eine tiefe Beziehung, die am Ende scheitert. Die beiden Personen sind fein und süß gezeichnet, filigran fast, aber keine Spur süßlich. Der Roman hat mir sehr gut gefallen! Die Figuren sind authentisch und wunderbar entwickelt.

Die Tätigkeiten, Gedanken und Erlebnisse der Mädchen sind witzig und tragisch. Jede kämpft in ihrer Welt mit Entfremdung, Identitätsfindung und Heimweh nach der anderen. Über den Kontrast von Oksanas Figurproblemen zur Leningrader Hungersnot durch Belagerung im Zweiten Weltkrieg, eine intelligente feine Nebenlinie, muss man einfach schmunzeln, trotz aller Tragik.

Wlada Kolosowa, geboren 1987 in Petersburg, erzählt leicht wie eine Feder, die Lektüre macht sehr viel Spaß, sie ist voller schöner Metaphern und Vergleiche. Denn die Autorin kann ganz wunderbar mit Sprache umgehen, ein vielversprechendes Talent! Bis ungefähr Seite 185 gab es nicht ein Jota an dem Roman auszusetzen.

Danach ist der Roman immer noch schön, fällt aber ein wenig ab, nicht viel, aber doch, weil die Autorin einem Anfängerfehler erliegt und des Guten zuviel tut. Manchmal genügt es, zu sagen: es schneit. Man braucht für das Selbstverständlichste keinen Vergleich. Und in der Einfachheit liegt auch Schönheit.

Die verwendeten Bilder und Beobachtungen stimmen aber immer noch und sind immer noch schön. Bis auf eines, ich zitiere: „Oksanas Gehirn lief immer weiter heiß, ohne dass sie es bremsen konnte“. Bitte nicht so was!! Solchen Müll brauchen wir nicht in einem sonst so tollen und kunstfertigen Roman.

Leider kann es sich die Autorin nicht verkneifen, hintenraus zu viel Gewicht auf die Leningrader Katastrophe zu legen. Auch hier wäre weniger mehr gewesen. Ich war drauf und dran, mich mehr für dieses historische „Detail“ zu interessieren, bekam dann aber deutlich zu viel Information. Anfüttern ist gut, Belehrung und Draufrumreiten ist schlecht. Auch im Hinblick auf die sozialen Netzwerke, in denen sich eins von den beiden Mädchen verfangen hat, hätte man das überdeutlich Belehrende hintenraus nicht gebraucht, wodurch der Witz und die Spritzigkeit des Romans gelitten haben, man hätte auch ohne erhobenen Zeigefinger verstanden!

Fazit: Insgesamt ein beeindruckendes Debüt einer vielversprechenden Autorin, die innovativ mit Sprache umgeht, sie dabei aber nicht verhunzt wie manch anderer Jungautor. Der Leser sollte Wlada Kolosowa im Auge behalten, sie könnte Preise gewinnen!

Kategorie: Gehobene Literatur
Verlag: Ullstein, 2018

Kommentare

katzenminze kommentierte am 14. März 2018 um 21:06

Klingt gut. Will auch. ;)

Emswashed kommentierte am 14. März 2018 um 21:16

Ein Gehirn, das immer weiter heiß läuft... das geht nun wirklich nicht, ist ja schließlich auch nur Kohlenstoff. Ist das vielleicht der Übersetzung geschuldet? Sprachbilder lassen sich manchmal nur annähernd übersetzen, oder gar nicht.

wandagreen kommentierte am 14. März 2018 um 21:33

Nein. Ist ne Deutsche. Oder zumindest schreibt sie auf deutsch. Wuchs in Dtschland auf und lebt jetzt in Berlin. Alle anderen Bilder und Vergleiche sind auf dem Punkt!

LySch kommentierte am 14. März 2018 um 22:43

Eigentlich schade. Ich hätte es ansonsten sehr gerne im Original gelesen, um mein Russisch zu üben :)

Das Buch muss ich unbedingt lesen, es klingt einfach total hübsch! Schöne Rezi :)

wandagreen kommentierte am 14. März 2018 um 23:20

Du kannst russisch, Lyke? In voll echt? Cool.

LySch kommentierte am 14. März 2018 um 23:46

Ja! Tolle Sprache! <3 Ich verstehe sehr viel von der Alltagssprache, bei "ausgefalleneren Themen" tu ich mir schwer, da fehlen mir die Vokabeln. Aber Hören+Verstehen ist besser als Schreiben+Lesen...

LySch kommentierte am 14. März 2018 um 23:48

Ich würde halt gerne mal ein "modernes" Buch auf Russisch lesen! Die Klassiker sind so schwer ^^

wandagreen kommentierte am 15. März 2018 um 00:33

Das ist wahr. Geh doch mal in eine gut sortierte öffentliche Bibliothek. Da wirst du sicherlich findig.