Rezension

Sehr berührend

Mein schlimmster schönster Sommer
von Stefanie Gregg

Bewertet mit 4 Sternen

Was ist das für ein Gefühl, wenn einem von einer Sekunde auf die andere das Leben weggenommen wird? Wie kann man mit diesem Gefühl und diesem Wissen umgehen?

Isabel entscheidet im Taxi, auf der Rückfahrt von Krankenhaus nach Hause, ihr Leben umzukrempeln und sich Zeit zu gönnen. Zum ersten mal in ihrem Leben. Denn sie ist jung, sehr erfolgreich, in einer guten Beziehung mit Georg und eigentlich glücklich. Das glaubte sie bis jetzt. Doch wenn sie so glücklich war, warum konnte dieses männerfaustgroße etwas in ihr wachsen? Warum fühlte sich dieses Etwas so wohl in ihrem Bauch?

Auf ca. 300 Seiten begleitet man als Leser die neue Isabel, die sich zum Ende ihres Lebens endlich als die wiederfindet, die sie mal sein wollte. Eine spontane Frau, die sich ins Leben fallenlässt, genießt und offenherzig lacht, Menschen kennenlernt und Freundschaften schließt.

Dieses Buch berührt an vielen Stellen. Holt es uns doch wieder zurück zu unserem Kern, um in uns hineinzuhorchen und zu erfühlen, ob wir nach außen hin diejenigen sind, die wir auch wirklich sein wollten. Ob wir auch immer wieder mal innehalten und betrachten, welche Wünsche wir uns erfüllt haben und ob unser jetziger Weg so richitg ist.

Es ist nichts Neues, das Stefanie Gregg uns mit und durch Isabel sagen will. Doch vergessen wir leicht, was im Leben wirklich zählt. 

Isabels Roadtripp ist angehäuft mit Seltsamkeiten, die sie auch nur deshalb erleben darf, da sie endlich die Uhr loslässt, nicht mehr Terminen nachjagt und sich mit Äußerlichkeiten zufrieden gibt. Sie erlebt einen Hippie-Tripp als "Mondenkind" und trifft auf die echte Liebe. 

Für den Leser ist da aber auch noch Isabels Freund Georg. Von jetzt auf nachher ist seine Freundin verschwunden. Erst ist er verärgert, doch dann überwiegt das Gefühl der Sorge und später das der Angst. Ist ihr etwas passiert? Oder hat sie ihn wirklich verlassen? Kann es tatsächlich sein, dass sie entführt wurde? 

Obwohl mir Georg eher unsympathisch war, darf man ihn nicht vergessen, hat er doch ebenso einen wichtigen Kampf auszufechten. Er muss sich, wie auch Isabel, gezwungenermaßen Gedanken über sein Leben machen und seine Zeit und Liebe mit Isabel erörtern. Und damit entsteht kurz darauf die für mich berührendste Szene des Buches, als er auf einem Bild einer Überwachungskamere Isabel wiedererkennt und sie so doch nicht kennt. Sie ist es! Sie lacht herzlich und dieser Ausdruck auf ihrem Gesicht, genau so wie auf dem Bild, ist ihm fremd. So hat er sie noch nie gesehen. Er erkennt, Isabell ist jetzt glücklich. 

Das Ende war vorauszusehen und doch kam es zu plötzlich. Das ist mein einziger Kritikpunkt. Die Geschichte hätte gut noch 50 Seiten vertragen, um den Protagonisten mehr Tiefe zu verleihen. Kaum hat man sie erfasst, sind sie auch schon wieder weg. Ich hatte durchaus Mitgefühl für Isabell und auch für Georg, hatte Freude empfunden und auch gelacht. Doch irgendwie ist alles etwas oberflächlich geblieben. Ich hatte nicht genug Zeit, um mich im Buch festzuhalten.

Vielleicht war das von der Autorin auch so beabsichtigt. Isabel hat ja auch nicht mehr so viel Zeit für ihr schönes Leben übrig, noch weniger als sie eigentlich denkt. Es könnte somit ein stilistisches Mittel gewesen sein. Aber mir persönlich fehlte irgendwie noch ein bisschen was. Ich wollte auch eine Freundin von Isabel werden, doch für mich war die Zeit zu kurz, um eine tiefe Freundschaft zu schließen.

Stefanie Gregg hat viele bekannte und doch vergessene Weisheiten zwischen diese schönen Buchdeckel gelegt. Es würde den Rahmen sprengen, sie alle hier aufzuschreiben. Deshalb kann ich jedem dieses Buch ans Herz legen. Macht es euch gemütlich und lest es. Und dann prüft, ob ihr glücklich seid. Ich wünsche es euch von Herzen.