Rezension

Sehr berührende und aufrichtige Geschichte

Die Bücherdiebin - Markus Zusak

Die Bücherdiebin
von Markus Zusak

ZITATE

„If only she could be so oblivious again, to feel such love without knowing it, mistaking it for laughter.” 

„They say that war is death’s best friend, but I must offer you a different point of view on that one. To me, war is like the new boss who expects the impossible. He stands over your shoulder repeating one thing, incessantly. ‘Get it done, get it done.’ So you work harder. You get the job done. The boss, however, does not thank you. He asks for more.”

MEINUNG

- zu häufige Verwendung der Wörter „Saumensch” und „Saukerl”

Hierbei muss ich dazu sagen, dass ich das Buch auf Englisch gelesen habe, insofern ist dieser Kritikpunkt für die deutsche Fassung wohl nicht unbedingt relevant. Die zwei oben genannten Wörter werden so häufig verwendet – insgesamt 105 Mal, und es kann sein, dass mir beim Zählen ein oder zwei durch die Lappen gegangen sind –, dass es mir vorkam, als seien es die einzigen deutschen Schimpfwörter, die Markus Zusak kennt. Um fair zu bleiben, gilt es zu erwähnen, dass diese Wörter gut die eher derbe Verhaltensweise von Liesels Adoptivmutter widerspiegeln und ich Rosa Hubermann im Laufe der Geschichte auch gerade deshalb ins Herz geschlossen habe. Zudem intensiviert es die Atmosphäre der 30er und 40er Jahre, dennoch gingen mir die „Sauwörter” gerade in den ersten 100 Seiten sehr auf den Keks. Davon abgesehen, fand ich die eingestreuten deutschen Begriffe sehr gelungen und auch grammatikalisch korrekt. Die Tatsache, dass diese Lappalie mein einziger Kritikpunkt am ganzen Buch ist, zeigt, wie sehr mir Die Bücherdiebin gefallen hat.

+ Erzählstil und Aufbau des Buches

Ich fand es richtig klasse, dass die Geschichte vom Tod höchstselbst erzählt wird. Es ist sehr passend, schließlich war die Nazizeit ja maßgeblich von Tod und Verzweiflung bestimmt. Der Tod (also der Erzähler :P) ist zynisch und gibt bissige Kommentare ab, was ihn beunruhigend sympathisch und amüsant erscheinen lässt.

Markus Zusaks Schreibstil ist fantastisch. Zum Beispiel wird die Atmosphäre lebhaft mit Farben beschrieben, was ich interessant fand. Von der ersten Seite an war ich völlig in der Geschichte versunken. Die Story ist unterteilt in zehn Abschnitte, die alle nach dem jeweiligen Buch benannt sind, das Liesel gerade durch ihre Erlebnisse begleitet und am meisten beeinflusst. Markus Zusak macht außerdem Gebrauch von einem faszinierendem literarischen Mittel, denn der Erzähler macht Andeutungen zu Geschehnissen, die erst viel später stattfinden werden. So erfährt der Leser bereits in der Mitte des Buches, welche Charaktere am Ende sterben werden. Das Faszinierende daran ist, dass es der Spannung keinen Abbruch tut, sondern mich nur noch mehr dazu gebracht hat, weiterlesen zu wollen. Es ging nicht darum, was passiert, sondern welche Ereignisse zu dem erwähnten hinführen.

+ Ton und historischer Hintergrund

Die Glaubwürdigkeit des Buches geht einher mit dem erstklassigen Schreibstil. Das Buch ist sehr überzeugend und ich finde, es ist dem Autor gelungen, die Stimmung und die Mentalität der Menschen während der Nazizeit einzufangen. Beim Lesen kam es mir vor, als würde ich alles selbst neben Liesel erleben. Die Geschichte lies mich viel darüber nachdenken, wie es wohl gewesen sein musste, während dieser Zeit gelebt zu haben – ganz gleich ob nun als Deutsch, Jude oder irgendjemand anders. Es ist sicherlich kein erfreuliches Thema, dennoch ist es sinnvoll, sich von Zeit zu Zeit damit zu beschäftigen

+ Charaktere

Hans Hubermann, ein Maler und Akkordionspieler, und seine Frau Rosa nehmen die junge Liesel Meminger bei sich auf, obwohl sie selbst kaum genug zum Leben haben. Sie sind liebevoll Zieheltern, und sie sind auf ihre Weise sehr menschlich und gütig. Es war toll zu sehen, wie sich ihre Beziehung zu Liesel im Verlauf der Geschichte entwickelt hat. Darüber hinaus ist es sehr bewegend, darüber zu lesen, wie diese widerständige Familie und andere Bewohner der kleinen Stadt Molching mit den Lebensumständen der damaligen Zeit umgehen. All die kleinen Zeichen von Widerstand, Solidarität und Güte, während andere Menschen all ihre Menschlichkeit verloren zu haben scheinen, sind herzerwärmend.

Nicht nur die Hubermanns brillieren in diesem Buch, sondern auch die Frau des Bürgermeisters, Rudy und selbstverständlich Max Vandenburg, der jüdische Faustkämpfer (der übrigens in viel mehr Szenen hätte vorkommen sollen!). Jeder dieser Charaktere steht in unterschiedlicher Weise in Beziehung zu Liesel, und ich fand sie allesamt sympathisch!

+ Emotionen

Die Bücherdiebin ist emotionsgeladen, und das nicht nur, weil es zur Nazizeit spielt. Beim Lesen fühlte ich mich hilflos und war wütend wegen der Grausamkeit der Menschen. Ich war traurig wegen der sinnlosen Tode unschuldiger Menschen und weil das Ende herzzerreißend war, auch wenn man als Leser bereits wusste, was passiert. Ich war erfreut und berührt, weil das Buch zeigt, dass man auch dann seinem Leben einen Sinn geben kann, wenn um einen herum schreckliche Dinge geschehen. Die Bücherdiebin stimmte mich optimistisch und hoffnungsvoll, dass, ganz gleich zu welchen grausamen Taten Menschen imstande sind, es immer auch solche gegen wird, die zu Liebe, Güte, Freundschaft und Ehrlichkeit fähig sind.

FAZIT

Ich bin mir sicher, dass mich diese Geschichte und ihre Charaktere noch auf lange Zeit begleiten werden. Falls Die Bücherdiebin schon lange auf eurer Leseliste war und ihr bisher jedoch aus irgendeinem Grund gezögert habt, es zur Hand zu nehmen, lest es. Oder wenn euch das Buch bisher nicht gereizt hat, ihr aber interessiert seid an einer Geschichte über die Macht von Worten und Büchern, dann lest es. Die Bücherdiebin richtet sich meiner Meinung nach nicht nur an Jugendliche, sondern kann von (nicht ganz so jungen) Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen gleichermaßen gelesen und gemocht werden.