Rezension

Sehr bewegend, aber auch etwas melodramatisch

Die Nachtigall
von Kristin Hannah

Bewertet mit 4 Sternen

"Die Nachtigall" der US-amerikanischen Autorin Kristin Hannah wurde ein Weltbestseller, vor allem in den USA. 2016 erschien die deutsche Ausgabe als Übersetzung von Karolina Fell bei Rütten & Loening, einem Unternehmen des Aufbau-Verlages. Zwei Schwestern im von den Deutschen besetzten Frankreich: Während Vianne ums Überleben ihrer Familie kämpft, schließt sich die jüngere Isabelle der Résistance an und sucht die Freiheit auf dem Pfad der Nachtigall, einem geheimen Fluchtweg über die Pyrenäen.

"In der Liebe finden wir heraus, wer wir sein wollen; im Krieg finden wir heraus, wer wir sind." Zitat Seite 7

 

 

Kristin Hannahs Roman beschreibt mit dem Lebensweg zweier Schwestern eine bewegende, weil schreckliche und entbehrungsreiche Zeit des 2. Weltkriegs in Frankreich. Dieser Roman zeigt mit Vianne und Isabelle zwei Frauenschicksale, die ganz unterschiedlich agieren und auf den gut 600 Seiten kommt man ihnen und ihrem Leben sehr nahe.

Die Schilderungen sind umfangreich, es beginnt in der Kindheit der Schwestern, die auch schon von Schicksalsschlägen behaftet war, und auch in ihrem weiteren Leben bleibt ihnen keine Dramatik erspart.

Vianne lebt im kleinen Ort Carriveau im Loire-Tal, sie sorgt für ihre Familie, die sie ohne ihren Mann über Wasser halten muss und versucht daher, sich mit den deutschen Besatzern zu arrangieren, während Isabelle eine impulsive Frau ist, die sich der Résistance anschließt. Dort findet sie Anerkennung und geht ihren persönlichen Idealen nach, Familie ist für sie keine Option. Die unterschiedliche Haltung der Schwestern sorgt für Differenzen zwischen ihnen.

Die Thematik hinter der Geschichte ist gut gewählt, es waren stets die Frauen, die in Kriegszeiten auf sich allein gestellt viele Schwierigkeiten bewältigen mussten und dabei viel Stärke bewiesen haben. Kristin Hannah bringt das sehr bewegend zum Ausdruck. Sie schreibt fesselnd, emotional und ausführlich mit bildhafter Sprache. Dabei wird die Zeit der willkürlichen Unterwerfung durch die Besatzer, der Kältewinter und daraus resultierende allgegenwärtige Hunger sehr glaubhaft dargestellt. Doch das Hauptaugenmerk richtet die Autorin auf die persönlichen Lebenswege der Schwestern und dort lässt sie kein Leid aus, manchmal erschien mir das fast schon ein bisschen zu melodramatisch und übertrieben.  

Dennoch hab ich das flüssig erzählte Buch gern gelesen. Es sind die dramatischen Momente, die es lesenswert machen, auch wenn mir einige tiefer gehende historische Hintergründe fehlen.  

 

Insgesamt gesehen lebt das Werk von seiner Themenfülle, es häufen sich ausführlich geschilderte Erlebnisse und einige klischeehafte Betrachtungen zeigen den typisch amerikanischen Blick der Autorin auf Frankreich, auf das Geschehen und die Willkühr unter deutscher Besatzung. Dass es auch unter den Besatzern in Deutschland der Bevölkerung nicht anders erging, ist im Roman nicht zu erfahren.

Positiv aufgefallen ist mir, dass die Autorin mit der Figur des Hauptmanns Wolfgang Beck nicht nur negative deutsche Charaktere zeigt. Das ist aus amerikanischer Sicht eher selten. 

 

Dieser Roman zeigt nicht nur ein bedrückendes Bild vom Gräuel des Krieges, er steht beispielhaft für die Stärke zahlreicher Frauen, die unter enormen Entbehrungen ihre Familien durch die Mangeljahre und Kriegszeiten gebracht haben. Diesen Frauen, egal aus welchem Land, gebührt für ihre Leistung unsere Anerkennung und Achtung.