Rezension

Sehr bewegendes Jugendbuch vor wahrem Hintergrund

Affenbruder - Kenneth Oppel

Affenbruder
von Kenneth Oppel

Bewertet mit 5 Sternen

 

Victoria, Kanada, irgendwann in den frühen 70ern.

Ben Tomlin ist gerade 13 Jahre alt geworden, als seine Eltern das, wenige Tage alte Schimpansenbaby Zan adoptieren. Seine Eltern sind Wissenschaftler und Zan ein wichtiges Projekt der dortigen Universität. Bens Vater, ein Verhaltenspsychologe, möchte erforschen, ob es möglich ist, dass Menschenaffen die menschliche Sprache erlernen. So wird Zan in der Familie wie ein Menschenkind aufgezogen und in Zeichensprache unterrichtet.

Für Ben wird er mehr und mehr zu einem wirklichen Bruder, es entwickelt sich eine enge und liebevolle Beziehung.

Für Professor Tomlin bleibt Zan jedoch ein Forschungsprojekt, er nimmt nicht wahr, wie abhängig der fremdaufgezogene Menschenaffe von der Zuneigung seiner Familie ist.

Als Zan ein halbes Jahr alt ist und erste bemerkenswerte Fortschritte zeigt, wird er für die Arbeit an den Sprachexperimenten immer öfter von der Familie getrennt und den studentischen Angestellten der Universität überlassen. Ben merkt, dass es seinem Affenbruder dabei nicht gut geht und dass Zan viel schneller und besser lernen würde, wenn man mit ihm spielt und sich ihm zuwendet. Schließlich war sein erster Satz zu Ben: „Gib Umarmung“.

Zan kann aber nicht ewig bei der Familie Tomlin bleiben, es wird größer, stärker – das Projekt der Universität wird beendet. Ben kommt damit nicht klar … Zan ist sein Bruder geworden, er

liebt das Schimpansenkind, fühlt sich verantwortlich ...

 

Zans Geschichte macht sehr nachdenklich. Ist es ethisch vertretbar, einem Tier sein Junges zu stehlen, es aufwachsen zu lassen wie einen Menschen und es dann nur als „Forschungsmaterial“ oder „Versuchsstier“ zu sehen?

Eine wertvolle und sehr emotionale Lektüre zu einem unerschöpflichen Thema, wenn man bedenkt, wo überall immer Tierversuche stattfinden. ( wenn auch weniger an Primaten )

Neben diesem ernsten Thema wird sehr stimmig die Gefühlswelt des heranwachsenden Ben erzählt, der sich in die gleichaltrige Jennifer verliebt. Das Besondere: man befindet sich in den 70ern, der Zeit der Schlaghosen, Hippies, Led Zeppelin und Abba, der BMX Räder und allem, was cool war, damals, als die eigenen Eltern noch Teenager waren.

 

Die Geschichte des sehr bewegenden Jugendbuchs bewegt sich vor einem wahren Hintergrund. Die 70er Jahre waren die Ära der Sprachforschung bei Primaten, es wurden viele Erfolge erzielt, so hat ein Schimpanse weit über 200 Zeichen erlernt und ein Pärchen die erlernte Fähigkeit der Zeichensprache damals sogar an ein Junges weitergegeben. Der derzeit bekannteste Primat der Sprachforschung ist die Gorilladame Koko, die über 1000 Zeichen beherrscht.

Der Linguist Noam Chomsky, der auch in Affenbruder zitiert wird, stellte jedoch die These in den Raum, dass nur der Mensch zu echter Sprache fähig ist und nach bestimmten Regeln sinnvolle Wortfolgen bilden kann, wirklich kommunizieren kann. Primaten würden nur antrainierte Verhaltensweisen zeigen, um Liebe und Essen zu erbetteln.

Dennoch wurde beobachtet, wie die tierischen Probanden kreativ mit Sprache umgehen lenrten, mit ihren beschränkten Mitteln eigene Wörter schufen und die Gebärdensprache ihren eigenen Jungen lehrten.

Bis heute scheiden sich in der Primatenforschung bezogen auf die Lunguistik die Geister – am Ende geht es aber nur um die Definition von Sprache. Denn versändigen können sich Primaten so mit uns Menschen auf jeden Fall!

 

Das nunmehr 33 Jahre anhaltende Projekt Koko hat Erstaunliches zu Tage gebracht. Auf die Frage : „Was ist der Tod?“ antwortete der Gorilla mit drei Zeichen "Gemütlich - Höhle - auf Wiedersehen."

 

Interessante Artikel zum Hintergrund der Sprachforschung mit Menschenaffen:

http://www.spiegel.de/einestages/sprachexperimente-mit-primaten-a-947322...

http://www.zeit.de/2005/20/A-Tiere

 

Allgemein zum Thema Tierversuche muss ich diesen Film erwähnen, der alle Seiten ehrlihc beleuchtet. Jahrelang wurde ein Medikament gegen HIV Infektionen an Primaten in Isolationskäfigen getestet, die im Alter die Gelegenheit bekamen erstmals aus ihrem Käfig in ein Gehege zu treten, zum ersten Mal den Himmel gesehen haben. Die Kamera des Dokumentarfilmers hat diesen Moment eingefangen. Die Schimpansen, die nicht wissen konnten, wie es sich anfühlt – Sonne, Himmel, Luft – haben geweint vor Glück, nachdem sie das erste Mal nach draußen treten konnten, in die kleine „Freiheit“.

Dieser Film sagt eigentlich zum Thema Tierversuche.

Hier der Link zur Webseite:

http://www.unter-menschen.de/