Rezension

Sehr gelungenes Portrait

Mein Freund Dahmer - Derf Backderf

Mein Freund Dahmer
von Derf Backderf

Bewertet mit 4.5 Sternen

Als sein ehemaliger Klassenkamerad Jeffrey Dahmer als Serienmörder verhaftet wurde, war Derf Beckderf verständlicherweise geschockt. Schon damals begann er, die Erinnerungen an den seltsamen Einzelgänger Jeff und ihre gemeinsame Schulzeit zeichnerisch zu verarbeiten. Doch erst nachdem Dahmer dann im Gefängnis ermordet wurde, setzte er sein Projekt konsequent in die Tat um. Und auch danach vergingen noch einmal Jahre mit Recherche, Zeichnen und Verlagssuche. Was aber letztlich dabei herausgekommen ist, kann sich wahrlich sehen lassen!

Backderf zeichnet das Bild eines seltsamen und verstockten Einzelgängers, der sich durch seine Teenagerzeit mogelt, ohne groß gesehen zu werden. Weder seine Eltern noch seine Lehrer wollen gemerkt haben, wie schlecht es dem jungen Jeff ging. Die einen waren mit ihren Eheproblemen beschäftigt, den anderen war es wohl schlicht und einfach egal. Mit dem Jungen, der schon mit 15 zu harten Alkoholika greift, um seine Gedanken zum Schweigen zu bringen, der im Wald auf Bäume einschlägt, weil er die Streitereien seiner Eltern nicht erträgt, kann man schon Mitleid haben. Backderf macht aber auch klar, dass sein Mitleid an dem Punkt endet, an dem Dahmer zu morden anfängt – und nicht damit aufhört.

Wer übrigens Nervenkitzel sucht, oder möglichst Blutrünstiges sehen möchte, ist hier falsch. Um die Morde selbst geht es nicht. Nur um den Teenager Dahmer wie Backderf und seine Klassenkamerade sich an ihn erinnern. Die Mischung zwischen der unbeschwerten Highschoolzeit seiner Freunde und der Düsternis und Ignoranz in Dahmers Leben ist toll umgesetzt. Die Zeichnungen in Backderfs speziellem Stil – comichaft aber irgendwie modern und einprägsam - haben sehr gut zur Story gepasst. Auch der Aufbau ist klasse gemacht. Gerade die letzten zwei Szenen der Novel sind grandios gewählt. Dass Beckderf auch noch ein Vorwort angefügt hat, fand ich sehr gut. Entstehung und Intention der Novel sind darin sehr gut erklärt.

Einzig zu kritisieren habe ich, dass das Nachwort von Lutz Göllner – wer ist das überhaupt? - etwas an der Geschichte vorbei geschrieben ist. Man hätte es ohne weiteres weglassen können. Und leider haben sich ein paar ganz blöde Tippfehler eingeschlichen. Drei sind mir aufgefallen. Einer davon war beispielsweise „Mobster“ statt „Monster“. Das tut schon ein bisschen weh, vor allem weil man merkt, wie viel penible Arbeit Backderf in die Novel gesteckt hat. Da hätte der deutsche Verlag sorgfältiger sein müssen!

Bis auf diese Kleinigkeiten ist Mein Freund Dahmer eine erstaunlich einfühlsame und akkurat recherchierte Geschichte über die Teenagerzeit des späteren Serienmörders. Klasse umgesetzt im individuellen Stil von Backderf. Man merkt, wie viel Arbeit und Gedanken darinstecken. Die Ballance zwischen Düster und Unterhaltsam ist sehr gut gelungen. Ganz nebenbei liebe ich Cover und Haptik der Novel. Backderf hat einen klasse Job gemacht! Hut ab!

Kommentare

Sursulapitschi kommentierte am 16. August 2019 um 13:30

Das klingt doch schon mal richtig gut. Sehr schöne, ausführliche Rezi.