Rezension

Sehr oberflächlich

Die Geschichte des Wassers
von Maja Lunde

Bewertet mit 2.5 Sternen

"Die Geschichte des Wassers" ist der zweite Teil des Klima-Qartetts, mit dem Maja Lunde auf unsere Erde und die mittlerweile eingetretene Klimaveränderung aufmerksam machen will. Während sich der erste Teil "Die Geschichte der Bienen" den kleinen Tierchen widmet, die dafür sorgen, dass die Blüten unserer lebensnotwendigen Pflanzen bestäubt werden und wir somit unsere Nahrungsgrundlage nicht verlieren, geht es dieses Mal um das lebensnotwendige Element Wasser. 

Ohne Wasser geht es nicht! Und wir Menschen scheinen das wohl noch nicht so ganz verinnerlicht zu haben, wenn man sieht und beobachtet, wie wir damit umgehen. Die Autorin nimmt das als Aufhänger für ihren Roman und reist mit uns nach Norwegen zu einem Gletscher, dessen Eis gerade als Luxusgut abgebaut und an Mega-Reiche als Cocktail-Eiswürfel verkauft werden soll. Signe, die damit keineswegs einverstanden ist, will dem Verantwortlichen, der das zugelassen und genehmigt hat, einen Strich durch die Rechnung machen. Magnus, ihre einstige Liebe. Sie will ihn mit den abgebauten Eisblöcken konfrontieren und zur Rede stellen und reist dafür mit ihrem Segelboot nach Frankfreich, wo sie ihn vermutet.

Im zweiten Handlungsstrang, der 24 Jahre in der Zukunft spielt, leben David und Lou und viele andere Menschen mit den katastrophalen Auswirkungen, die das Ergebnis des unverantwortlichen Handels von früher sind. Das Klima hat sich verändert. Es gibt eine unerträgliche Hitze, die kaum auszuhalten ist. Zudem regnet es nur noch selten bis mancherorts gar nicht. Menschen aus dem Süden, die zu Klimaflüchtlingen geworden sind, fliehen und versuchen die Wasserländer im Norden zu erreichen. Doch das ist gar nicht mehr so einfach.

Maja Lunde hat eine sehr gute Basis für ein grandioses Buch geschaffen. Leider hat sie das immense Potential dieses dystopischen Romans nicht ausgeschöpft. 

Lange, lange Zeit dümpelt die Geschichte so vor sich hin. Die beiden Handlungsstränge wechseln sich in relativ kurzen Kapiteln ab, sodass man als Leser das Gefühl hat, die Geschichte komme recht flott voran. Doch es benötigte 300 Seiten, bis es anfing spannend zu werden. Bis dahin lernen wir die Protagonisten kennen. Die Autorin lässt sich Zeit und stellt sie uns in in einer größeren Zeitspanne vor. Leider gelingt es ihr nicht, trotz der spürbar anwachsende Katastrophe, ihre Figuren sympathisch darzustellen. Ich konnte die Distanz zu Signe, Magnus, David und all den anderen nicht überwinden. Einzig Lou rührte an mir. Ein unschuldiges kleines Mädchen, dessen Leben sich innerhalb kurzer Zeit komplett verändert hat und dessen Zukunft nicht mehr sicher ist.
 

"Die Welt war von Menschen geleert, von Tieren, Insekten, Pflanzen. Bald würden auch die größten Bäume sterben, trotz ihrer tiefen Wurzeln. Niemand konnte hier überleben." (Seite 196)

Maja Lunde greift auf ihr Konzept, das sie bereits in ihrem Debüt verwendet hat, zurück. Beide Handlungsstränge laufen parallel, wobei die Vergangenheit eine direkte Auswirkung auf die Zukunft hat. Bildhaft beschreibt sie die Landschaft in Norwegen und den Zyklus des Wassers, von den Wolken zum Regen, zum Schnee und Eis auf dem Gletscher, die Gletscherschmelze und das Wasser, das wieder zurück in die Meere flließt und teilweise verdampft. Es ist unser Lebenselexier und es gelingt der Autorin dies eindringlich zu bekräftigen und uns die Natur nahezubringen. 

Ebenso zeigt Maja Lunde auf, was passieren wird, passieren könnte, wenn wir weiterhin so gedankenlos mit Wasser und unserer Umwelt umgehen. Doch hier kann sie mich mit den Charkteren einfach nicht abholen. Nur an der Oberfläche benennt sie Konflikte, die durch Hunger und Durst, den Verlust von Heimat und Familie und das Zusammengepferchtsein in Flüchtlingslagern, entstehen.

"Ich lief auf Caleb, Martin und Christian zu und wurde Teil dessen, was sie waren. 
In mir brodelte es. Etwas brach aus, kam an die Oberfläche. Etwas, das die ganze Zeit in mir geschwelt hatte." (Seite, 260)

Ich hatte mir viel mehr Gefühlsgewalt gewünscht und vorgestellt! Mehr Verzweiflung, mehr Kampf, eine intensivere Visualisierung dessen, was es für uns alle bedeuten wird, wenn Trinkwasser nicht mehr da ist, wenn all das Meerwasser dem Einzelnen zum Überleben nichts mehr nützt.

Auf den letzten 100 Seiten gibt die Autorin der Geschichte die Tiefe, die ich von Anfang an erwartet hatte! Sehr gelungen, aber leider viel zu spät. Ein kleiner Hoffnungsfunke fängt zu leuchten an. Das hat mir sehr gut gefallen. Ich bin noch nicht sicher, ob mir das offene Ende gefällt. Die Zukunft ist ungewiss, der Mensch aber ist in der Lage sich nach dem Positiven zu orientieren und Hoffnung zuzulassen. Es ist seine Stärke, die größte Not überwinden zu wollen.    

Fazit:
Thematisch ein wichtiges Buch, dessen Potental leider nicht ausgeschöpft wurde. Die sehr guten Ansätze verpuffen in den Situationsbeschreibungen und durch den andauernden familiären Konflikt, in dem sich Signes Familie befindet und den Maja Lude sehr ausgiebig beschreibt. Dadurch weist die Geschichte viele Längen ohne Spannung auf, die mich fast das Buch haben abbrechen lassen.