Rezension

Sehr poetisch und sprachvirtuos

Die Welt ist eine Muschel - Alessandro D'Avenia

Die Welt ist eine Muschel
von Alessandro D'Avenia

Bewertet mit 4 Sternen

Dies ist tatsächlich mein erster Roman aus Italien gewesen, also, von einem italienischen Autor geschrieben. Zugegeben, so richtig leicht und flüssig war es nicht zu lesen, ich hatte meine Schwierigkeiten, aber es gab auch wiederum so viele emotionale, intensiv beschriebene Szenen, dass mir ganz warm ums Herz wurde!

Inhalt:

In diesem Sommer stehen für die 14jährige Margherita große Veränderungen an. Sie kommt auf die weiterführende Schule, wo sie niemanden kennt und wo neue Herausforderungen auf sie warten (besonders von der Leistung her). Doch von heute auf morgen steht sie einer ganz anderen Herausforderung gegenüber, einer, der ihr den Boden unter den Füßen wegzieht: Der Vater verlässt überraschend die Familie, er hinterlässt lediglich eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter - den ausgerechnet Margherita abhört. Das junge Mädchen ist total verstört, zieht sich zurück, kapselt sich ab, lässt niemanden an sich heran. Und doch beginnt die Schule, sie kommt in eine Klasse mit wildfremden Jugendlichen und muss sich dort irgendwie durchkämpfen ...

Meinung:

Wie oben schon kurz gesagt, das Buch ist keine leichte Kost. Wer hier einen typischen Jugendroman übers Erwachsenwerden erwartet - wie es auch der Klappentext irgendwie suggeriert - wird überrascht. Ob positiv oder negativ sei dahingestellt :-).

Die Sprache ist einfach unglaublich poetisch und metaphernreich! Farben, Formen, Gedanken, Gefühle, ja, einfach alles wird umschrieben, verglichen und mit Bildern versehen. Das ist nicht immer leicht zu lesen, ja, manchmal waren mir einige Passagen sogar regelrecht sperrig, und auch nach zweimaligem Lesen bin ich nicht schlauer geworden ... Der Lesefluss ist bisweilen also etwas holprig, doch wenn man sich auf diesen außergewöhnlichen Sprachstil einlässt und sich Zeit nimmt, bekommt man ein schönes und besonderes Stück Literatur!

Die Figuren sind allesamt sehr detailliert gezeichnet, man bekommt einen intensiven Blick in ihre Gefühls- und Gedankenwelt. Auch die vielen Dialoge geben einiges über die Charaktere preis. Überhaupt sind die Dialoge sehr fein geschliffen und exakt, da gibt es keine überflüssigen Worte!

Margehrita und ihr Umgang mit der familiären Katastrophe stehen im Zentrum des Geschehens. Ich konnte mich sehr gut in Margehrita hineinversetzen, vor allem auch, was ihre Schulsituation angeht. Auch ihr Coming-of-Age Kampf, ihre widerstreitenden Gefühle, ihre Abkapselung - das alles ist sehr gefühlvoll und exakt dargestellt.

Auch die Nebenfiguren haben mir durch die Bank weg gut gefallen, besonders Nonna Teresa mit ihren großmütterlichen Weisheiten, aber auch ihrer Traurigkeit.

Ein Stern Abzug gibt es für die manchmal etwas anstrengende Sprache und die in meinen Augen etwas zu kurz und zu glatt vonstatten gegangene Auflösung der Geschichte um Margheritas Vater. Mehr sei an dieser Stelle nicht verraten :-).

Fazit:

"Die Welt ist eine Muschel" ist kein Buch zum Mal-Eben-Weglesen! Es ist ein Buch, für das man sich Zeit nehmen muss und soll. Die Sprache ist metaphernreich und blumig, bisweilen sogar abstrakt. Doch kann man sich darauf einlassen, entfaltet sich ein wunderbares Porträt eines jungen Mädchens, das vor großen Umbrüchen steht und darum kämpft, wieder ein Gleichgewicht in ihrem Leben herzustellen. Es ist zudem ein Roman über die Liebe - und darin kennen sich die Italiener ja bekanntlich bestens aus :-).

4 von 5 Sternen