Rezension

sehr schön

Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki - Haruki Murakami

Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki
von Haruki Murakami

Bewertet mit 5 Sternen

"Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki" von Haruki Murakami hat mir wieder ein wunderbares Lesevergnügen beschert.
Langsam komme ich in den Verdacht, dass ich diesem Autor hilflos ausgeliefert bin, ich ahne fast, dass ich auch begeistert ein Telefonbuch aus seiner Feder lesen würde. 
Murakamis Schreibstil lässt mich so völlig versinken. Er lädt mich in sein Buch, und ich lebe in Japan für die Zeit des Lesens. Dazu kommt ein vermeintlich lockerer Stil, und entgegen aller Erwartung sind die Themen hier auch wieder tiefsinnig und berührend.
Man ahnt in jedem Satz die des Autors eigene Sensitivität, mit der er insbesondere zwischenmenschliches Miteinander betrachtet.
In diesem Roman schreibt er über einen Mann im besten Alter, Single, fleißig, intelligent und nicht nur alleine, sondern auch einsam.
Eine Tatsache, die heutzutage auf viele Menschen zutrifft. Man hat viele Kontakte, beruflich und auch im Alltag, aber so einen engeren Kontakt, einen intensiven Austausch gibt es im Arbeitsalltag nicht mal mit Familienmitgliedern.
Bei Herrn Tazaki gab es während der Schule eine andere Lebensphase. Er war Teil einer Art Clique. Aber es kam zum Bruch, für ihn auch 16 Jahre später noch unverständlich.
Und erscheint offenbar nicht fähig engere Bindungen einzugehen, nicht als Freund, nicht als Partner. 
Menschen kommen und gehen. Ein Phänomen, dass man in sozialen Internetforen heutzutage täglich kennt, nimmt Herr Tazaki als persönlichen Makel.
Und tatsächlich besteht seine neue Freundin darauf, dass er mit den alten Schrammen seiner Seele aufräumt, bevor sie annähernd bereit ist, eine engere Bindung zu erwägen.
Es steht so viel Ausdruck und Gefühl zwischen den Zeilen dieses Buches, ich wäre enttäuscht gewesen, wäre der Schluss nicht offen geblieben.
Ein kleines bisschen erinnerte mich das Thema an die Borderline Störung. Oder ist Herr Tazaki hoch sensitiv? Auch bei höher sensitiven Menschen, eine Gabe (oder Qual), die oft mit Hochbegabung einhergeht, sind solche Traumen bestimmend und raumfordernde Prozesse der Seele.
Würde es wirklich helfen, im Leben derart auf zu räumen? Würden sich Mitmenschen die Zeit nehmen, ihr Verhalten zu erklären? Ich habe es leider immer wieder anders erlebt.