Rezension

Seichte Herbstlektüre für einen veregneten Nachmittag

Im Hause Longbourn - Jo Baker

Im Hause Longbourn
von Jo Baker

Bewertet mit 3 Sternen

Die Idee Jane Austens Romane fortzuführen oder aus einer anderen Perspektive nachzuerzählen ist zugegebener Maßen nicht neu, doch die Geschichte von "Stolz und Vorurteil" aus Sicht der Dienstboten zu beschreiben hat bisher soweit ich weiß, noch keiner versucht. Diese Sicht auf die Geschehnisse bietet die Chance, neben der bekannten Handlung eine gänzlich neue zu erschaffen, die die ursprüngliche nur an gewissen Stellen berührt und nicht komplett nacherzählt.

Diese Chance hat Jo Baker meiner Einsicht nach im wesentlichen sehr gut genutzt. Sie erschafft eine Geschichte mit neuen Protagonisten, die ihre eigenen Erfahrungen sammeln, leiden, lachen, sich verlieben und misstrauen, während die Herrschaften nebenan sich mit den Gentlemen und Offizieren treffen. Es ist das Leben einer anderen Gesellschaftsschicht, das Jo Baker schildert. Sie gibt den unsichtbaren in Jane Austens Geschichte ein Gesicht. Dabei nutzt sie eine Sprache, die flüssig und leicht zu lesen ist. Der Leser kann sich gut in die Geschichte hineinversetzen und sieht die Schauplätze bildlich vor sich. Gleichzeitig behält Jo Baker eine Ausdrucksweise bei, die zur Zeit Jane Austens und dem historischen Hintergrund der Handlung passt. Die Autorin wechselt oft die Erzählperspektive zwischen den einzelnen Hausangestellten, was sie aber geschickt löst ohne den Erzählfluss zu stören. Auf diese Weise ist es dem Leser möglich, sich ein Bild von den verschiedenen Protagonisten zu machen und diese und deren Handlungen zu verstehen.

Doch leider nutzt Jo Baker meiner Meinung nach das Potenzial ihrer guten Idee nicht bis zum Schluss aus. Die Geschichte rund um das Dienstmädchen Sarah und den neuen Hausdiener James, mit seinem mysteriösen Geheimnis, konnte mich nicht wirklich fesseln. Im Gegenteil war ich zwischenzeitlich fast gelangweilt von der Handlung, was auch an den zwar sprachlich angenehmen, aber oft auch sehr ausführlichen, Schilderungen der Tätigkeiten und Vergangenheiten der einzelnen Protagonisten gelegen haben mag.

Abschließend kann ich sagen, dass mir das Buch zwar gefallen, aber meine Erwartungen nicht vollständig erfüllt hat. Die Handlung ist fein erzählt und fließt sachte dahin, während sie die Geschichte der Bennetschwestern gelgentlich berührt. Auch werden dem aufmerksamen Austen-Leser einige Parallelen zu "Stolz und Vorurteil" auffallen, die sich gut in die neue Geschichte einfügen. Dieses Buch ist etwas für Fans von Austen oder historischen Romanen, die von einem guten Buch nicht unbedingt einen ausgeklügelten Spannungsbogen erwarten, sondern sich einfach einen verregneten Nachmittag, gemütlich bei einer Tasse Tee und einem netten Buch, versüßen wollen.