Rezension

Seichte Liebesgeschichte mit Schwächen

Close to you - Isabell May

Close to you
von Isabell May

"Close to you" ist eine schöne, seichte Liebesgeschichte, die leider nicht in Erinnerung bleibt. Die Protagonisten sind liebenswert, aber handeln oftmals nicht dem Charakter entsprechend. Die Autorin hat einen leichten, angenehmen Schreibstil, allerdings ist die Handlung sehr vorhersehbar. Alles in einem finden sich zu viele Schwächen im Gesamtpaket, die das Lesevergnügen etwas verringern.

PLOT

Violet verlässt ihre Heimatstadt in Florida, um in Maine zu studieren. Fern von ihrem alten Leben will sie einen Neuanfang. Sie findet schnell Anschluss am College und bereits an ihrem ersten Tag lernt sie Aiden kennen. Der Junge mit dem Bad-Boy-Image geht ihr nicht mehr aus dem Kopf. Obwohl er ihr die kalte Schulter zeigt und sich kühl und distanziert verhält, fühlt sie sich auf unsichtbare Weise von ihm angezogen. Aidens Halbschwester warnt Violet allerdings, dass er unter Aggressionsproblemen leidet und in der Vergangenheit bereits mehrfach negativ aufgefallen ist. Während Violet versucht herauszufinden was es mit den Gerüchten um Aiden auf sich hat, wird sie selbst von ihrer dunklen Vergangenheit eingeholt.

 

REVIEW

Bisher hatte ich bei New Adult immer das Problem, dass die Bücher zwar nette Lektüre für zwischendurch waren, aber mich nie etwas wirklich überzeugen und überraschen konnte. Dies sollte sich mit "Close to you" ändern. Der Klappentext und die Leseprobe ließen sich gut lesen und voller Freude hab ich mich schließlich auf das Buch gestürzt. Obwohl es sich gut lesen ließ, hat es mich letztendlich leider nicht komplett überzeugen können. Es hat mich an zu viele Bücher erinnert, die ich bereits gelesen habe und die Protagonisten haben oftmals nicht dem Charakter entsprechend gehandelt. Während am Beginn des Romans die Angststörung von Violet noch eine große Rolle spielt, ist sie nach wenigen Kapiteln komplett von der Bildfläche verschwunden. Das Ende wirkt zu abrupt und auch die Handlung ist von Anfang an zu vorhersehbar. Zwar sind mir einige der Charaktere ans Herz gewachsen, aber sie können die Schwächen nicht ausgleichen. Auch die Ähnlichkeiten zu einem aktuellen Bestseller waren mir zu groß. Das Buch ist die perfekte Lektüre für entspannte Lesestunden, aber man sollte keine allzu großen Erwartungen hegen.

 

CHARAKTERE

Ich bin am Anfang überhaupt nicht mit Violet warm geworden und hab meine Zeit gebraucht um mich langsam mit ihr anzufreunden. Sie war mir einfach zu naiv und es hat mich mehrmals um den Verstand gebracht, dass sie sich wie ein Fähnchen im Wind von alles und jedem beeinflussen lässt. Man muss ihr nur etwas erzählen und schon nimmt sie die Meinung ihres Gegenübers an, nur um dann in der nächsten Szene wieder zu einem ganz anderen Entschluss zu gelangen. Ich hätte mir gewünscht Violet öfters stärker zu erleben und zu sehen wie sie ihren eigenen Kopf benutzt. Allgemein war ihre Darstellung häufig recht widersprüchlich und nur selten dem Charakter entsprechend. Einige Punkte haben sie zwar durchaus sympathisch gemacht und besonders ihre Liebe zum backen und für Literatur fand ich großartig, aber letztendlich war sie mir einfach zu naiv, was sich bis zum Ende durch die Handlung gezogen hat wie ein roter Faden.

 

Mein absoluter Liebling und Highlight der Geschichte war Dorian! Der Leser lernt ihn als klassischen Surferboy kennen, aber er vermag als einziger Charakter zu überraschen und wächst vollkommen aus seinem Klischee heraus. Ich mochte seine humorvolle und lebensfrohe Art und hätte gern noch mehr von ihm gelesen. Und da lag auch das Problem, denn obwohl es sich bei ihm nur um einen Nebencharakter gehandelt hat, konnte er mich mehr überzeugen als Aiden. Und beim lesen hatte ich das Gefühl, dass es der Autorin ähnlich ging, denn Dorian wird wesentlich authentischer dargestellt. Aiden selbst ist der klassische Bad Boy und diesem Image bleibt er zunächst auch treu. Er stößt Violet immer wieder aufs Neue von sich und fällt durch seine aggressive Art auf. Die meisten Leserinnen haben aber eine Schwäche für Bad Boys, sodass die Basis für eine erfolgreiche Geschichte gelegt war. Als man jedoch mit Aidens Vergangenheit konfrontiert wurde, war ich fast schon etwas enttäuscht. Klar, er hat es nicht leicht gehabt, aber das erklärt sein Verhalten für mich trotzdem nicht. Grundsätzlich fand ich Aiden durchaus interessant, aber letztendlich ist er im Schatten von Dorian einfach untergegangen.

 

Der Leser begegnet noch anderen Charakteren, aber diese bleiben leider etwas schwach gezeichnet. Jenna ist Daddys Liebling, welches mit liebreizender Art von ihrem schlechten Charakter ablenkt. Chloe hingegen die klassische beste Freundin, immer gut gelaunt und humorvoll. Ich hätte mir gewünscht die Autorin würde etwas von den gängigen Klischees Abstand nehmen. Zudem gab es – mit Ausnahme von Dorian – eigentlich keine Nebenplots, was ich immer sehr schade finde. Chloe findet bereits nach wenigen Seiten und ohne jedes Drama ihr großes Liebesglück und irgendwie hat es mir da überall etwas an Tiefe gefehlt.

WELTENBAU

Bereits am Anfang der Geschichte wird der Leser mit der Angststörung von Violet konfrontiert. Mental Health wird in der Literatur eine immer größere Rolle zuteil und deshalb war ich sehr gespannt wie Isabell May dieses Thema umsetzt. Leider war dies jedoch die größte Enttäuschung an "Close to you"! Während Violets mentale Probleme zu Beginn noch anschaulich beschrieben werden, verliert die Autorin dies nach wenigen Kapiteln vollkommen aus den Augen und ihre Angststörung wird kaum noch angesprochen. Plötzlich befindet sich Violet im großen Shopping Center oder auf einer Strandparty mit vielen Leuten und ihre Ängste werden nicht einmal erwähnt. Und auch die Liebesgeschichte zu Aiden erscheint unter Berücksichtigung ihrer Angststörung eher unglaubwürdig, da jemand mit solch Problemen einen Bad Boy mit Aggressionsproblemen definitiv eher meiden würde. Mein Problem war, dass die ganze Geschichte wesentlich glaubwürdig gewirkt hätte, wenn die Angststörung von Anfang an keine Rolle gespielt hätte. Ich finde es schade wenn man einen Trend nur aufgreift, weil das Thema gerade angesagt ist, besonders wenn es dann nicht mal ausgearbeitet wird.

 

Stalking ist das zweite zentrale Thema in "Close to you" und leider konnte mich das ebenfalls nicht so ganz überzeugen. Mir selbst war bereits nach den ersten Kapiteln klar wer der Stalker ist, wodurch die überraschende Wende am Ende der Geschichte leider ausblieb. Zudem wird dieser Handlungsstrang auch viel zu schnell abgehandelt und ließ mich enttäuscht zurück. Hier hätte man wesentlich mehr rausholen können. Die Reaktion von Violets Familie stellt allerdings sehr schön dar, dass Stalking noch immer von vielen nicht ernst genommen wird. Ihre Art mit diesem Thema abzuschließen fand ich sehr schön. Allgemein hat die Handlung einige tolle Stellen gehabt, an denen ich dachte die Geschichte würde endlich Fahrt aufnehmen. Letztendlich kann der Funke aber einfach nicht überspringen und obwohl "Close to you" wunderbare Unterhaltung für zwischendurch ist, geht das Buch leider im großen New Adult Meer unter und wird mir nicht in Erinnerung bleiben.

 

SCHREIBSTIL

Isabell May hat einen angenehmen, lockeren Schreibstil, wodurch sich "Close to you" leicht lesen lässt und die perfekte, seichte Lektüre für zwischendurch darstellt. In ihrem Schreibstil sehe ich durchaus Potential, weshalb ich auch nicht ausschließen würde noch weitere Bücher der Autorin zu lesen. Dann würde ich aber wohl eher zu ihren Fantasybüchern greifen. Erzählt wird "Close to you" aus der Sicht von Violet und meiner Meinung nach hätte man mehr aus der Handlung rausholen können, wenn die Geschichte aus verschiedenen Perspektiven erzählt worden wäre. Ich könnte mir vorstellen, dass besonders Aiden und Dorian als Erzähler großartig funktioniert hätten. So blieb mir die Erzählweise zu einseitig und hat sich stellenweise auch etwas zu sehr gezogen.

 

COVER

Das Cover reiht sich perfekt in die gängige New Adult Gestaltung ein, aber kann sich meiner Meinung nach einfach nicht von anderen Büchern abheben. Die sanfte Farbgestaltung gefällt mir allerdings gut und die Kreise sind ein netter Blickfang. Zudem mag ich die Schrift und auch die pinke Farbe, die direkt sommerliche Gefühle weckt. Der Titel selbst ist sehr toll gewählt, weil er nicht nur zu Violet und Aiden passt, sondern sich auf einer weiteren Ebene auch auf den Stalker beziehen lässt. Letztendlich ist das Cover durchaus nett, aber es würde im Laden wohl eher nicht meine Aufmerksamkeit auf sich ziehen.

 

FAZIT

"Close to you" ist eine schöne, seichte Liebesgeschichte, die leider nicht in Erinnerung bleibt. Die Protagonisten sind liebenswert, aber handeln oftmals nicht dem Charakter entsprechend. Die Autorin hat einen leichten, angenehmen Schreibstil, allerdings ist die Handlung sehr vorhersehbar. Alles in einem finden sich zu viele Schwächen im Gesamtpaket, die das Lesevergnügen etwas verringern. 

 

BEWERTUNG

3 von 5 Sternen