Rezension

Sein oder Nichtsein nach Bauchgefühl

Nussschale - Ian McEwan

Nussschale
von Ian McEwan

Bewertet mit 4 Sternen

So, hier bin ich, kopfüber in einer Frau. (S. 9) Der Rest ist Chaos. (S. 274)

John liebt seine Frau Trudy noch immer und weiß nichts von der Affäre mit seinem Bruder. Doch seine Annäherungsversuche werden Trudy lästig und sie plant mit ihrem Liebsten den Mord an ihrem Mann. Es geht um das Ende einer Ehe und viel Geld. Kein neues Thema, jedoch wird die Geschichte aus dem Bauch heraus erzählt. 

Der neun Monate alte Fötus in Trudys Bauch kommentiert altklug, wortgewandt, bissig und humorvoll das ganze Geschehen. Dabei ist er fast ausnahmslos benebelt vom Alkohol und schwadert über Leidenschaft und Verrat, die heutige Gesellschaft (aktuell politische Thema, wie die Flüchlingsproblematik beispielsweise) und philosophische Fragen. Der Schwerpunkt liegt auf dem Monolog des Fötus und seinem Wahrnehmungsradius innerhalb der Mutter. Gespräche und Handlungen der Protagonisten wirken direkt auf den Fötus ein, der alle Informationen an den Leser weitergibt. Wenige Personen, ein Handlungsort. Mehr ist nicht nötig, um den Leser gut zu unterhalten.

Der Zustand des modernen Fötus (S.109) impliziert sowohl die Glückseligkeit des langweiligen Daseins, als auch die sich aufdrängende Wahrnehmung der Umwelt. Es wird die Frage aufgeworfen, ob ein ungeborenes Kind in dieser Welt leben möchte und was es für Möglichkeiten gibt, wenn man über viel Wissen, aber wenig Handlungsmöglichkeiten verfügt. 

Lasst euch auf diesen Roman ein und ihr werdet gut unterhalten. Haltet dabei Stifte bereit. Wenn ihr, ohne Qual zu erleiden, in euer Buch schreiben könnt, werdet ihr sicher wunderbare Textstellen festhalten wollen. Vielleicht zu einem Glas Wein?