Rezension

Selten war ich so hin- und hergerissen

Doctor Sleep - Stephen King

Doctor Sleep
von Stephen King

Nachdem „Shining“ für mich, eins der vielen Meisterwerke von Stephen King ist, war ich wahnsinnig gespannt auf seine Fortsetzung „Doctor Sleep“.
Angelehnt an „Shining“ hatte ich natürlich enorm hohe Erwartungen bezüglich einer gruselnden Atmosphäre und freute mich auch auf die enorme Spannung und einer düsteren Geschichte.
Umso verblüffter war ich, dass ich schon von Beginn an, Probleme mit „Doctor Sleep“ hatte.
Mir war klar das der Protagonist kein Kind mehr ist, trotzdem hatte ich gehofft, mehr auf die Geister der Vergangenheit zu treffen und mich weniger mit seinem Alkoholproblem rumzuschlagen.
Nach 150 Seiten war ich fast soweit das Buch genervt aufzugeben aber irgendetwas hielt mich. Dies lag nicht zuletzt an S. Kings einzigartigen Schreibstil, der es mir ermöglicht sämtliche Charaktere und Ortschaften in meinem Kopf visuell und emotional darzustellen. Entweder ich kann sie absolut nicht leiden, oder aber ich liebe sie.
Nachdem ich etliche Ratschläge bekam, dass das Buch ab Seite 300 besser und vor allem spannender wird, kämpfte ich mich weiter durch. Und ich meine kämpfen!
Kommen wir aber erst mal zu den positiven Aspekten.
•    Der Autor überzeugt wieder mit einzigartigen Charakteren und einer grandiosen Idee, Danny erneut ins Spielfeld zu werfen.
•    Der Leser trifft auf Figuren aus anderen Romanen von S. King bzw. seinem Sohn. (Zumindest eine kleine Erwähnung zu Christmasland konnte ich feststellen).
•    Die Geschichte wird aus 3 verschiedenen Perspektiven erzählt, deren Handlungsstränge sehr interessant dargestellt werden.
•    Der Protagonist Danny bzw. Dan, wie er nun genannt wird, wird sehr authentisch mit seiner Alkoholsucht und den Ängsten um die Vergangenheit dargestellt.
•    Abra ist eine wahnsinnig tolle Protagonistin. Klug und jung aber auch verzweifelt und unheimlich mutig. Sie war mein absoluter Favorit in diesem Buch und schaffte es, mich auf den vielen Seiten an die Geschichte zu binden.
•    Der wahre Knoten ist die dritte Perspektive. Ich hab sie mir als eine Art „Sekte“ vorgestellt. Leider kam ich mit dieser Darstellung nicht so ganz zurecht. Ihr Vorhaben war zwar nachvollziehbar, wirkte auf mich aber dennoch oft zu übertrieben und unglaubwürdig.
•    Der Titel passt absolut zu dieser Geschichte und auch das Nachwort erklärt einiges.
Ihr merkt, es gab also einige Argumente, um am Ball zu bleiben.
Nun aber die negative Kritik:
•    Dannys Alkoholsucht war zwar nachvollziehbar, dennoch war es mir einfach zu viel um ihn und seiner Sucht.
•    Auch wenn es zwischendurch etwas spannend wurde, konnte ich leider so gut wie keine gruselige und beklemmende Atmosphäre wie bei „Shining“ ausmachen. Dies war aber leider meine Voraussetzung für einen Nachfolger!
•    Man ist S. Kings Längen in einem Roman ja gewöhnt, aber hier waren mir die stolzen 700 Seiten definitiv zu viel. Ich denke 200 Seiten weniger mit weniger ausschweifenden und langatmigen Szenen, hätten den Verlauf für mich persönlich, interessanter gemacht.

Fazit:
Doctor Sleep ist ein Roman, der mich mit gemischten Gefühlen zurücklässt. Selten war ich so hin-und hergerissen bei einer Geschichte. Obwohl das Nachwort mich versöhnlich stimmte und auch erklärte, warum diese Geschichte als Fortsetzung so dargestellt wurde, bleibt eine kleine Enttäuschung bei mir zurück. Daher empfehle ich diesen Roman nur bedingt und warne auch vor, dass man es nicht mit Shining vergleichen kann und sollte, wenn man diese Atmosphäre erleben möchte. Doctor Sleep gleicht eher einer ruhigeren Erzählung, die zwar spannend und mystisch werden kann, trotz allem aber die meisten Seiten recht ruhig und fast unblutig verläuft.
© Michaela Gutowsky