Rezension

Sensibles Thema perfekt umgesetzt

Nur noch ein einziges Mal
von Colleen Hoover

Bewertet mit 5 Sternen

Es gibt diese Romane, über die man eigentlich gar keine Rezensionen schreiben kann, weil das Beschreiben von Gefühlen und Wahrnehmungen nur einziger Spoiler wäre, der anderen Lesern, die auf der Suche nach ihrer nächsten Lektüre sind, das Leseerlebnis komplett vornewegnehmen würden. Dennoch verdient dieses geniale Buch eine Rezension, daher habe ich mich um eine Bewertung bemüht, die weitestgehend spoilerfrei sein sollte.

Der Klappentext verrät sehr wenig, was ich eigentlich schade finde, da in „Nur noch ein einziges Mal“ ein hochsensibles Thema angesprochen wird (und hier kommt nun der einzige Spoiler!) – nämlich Gewalt in einer Beziehung – das je nachdem wie es umgesetzt ist, für Leser schwer zu ertragen sein kann. Vielleicht weil man selbst schon betroffen war oder ist oder einfach weil man Gewalt in keiner Form ertragen kann. Daher finde ich es schon wichtig, dass mal angesprochen wird, was das zentrale Thema dieses Buchs ist. Denn dass es in der Jugendbuchabteilung einer bekannten Buchhandlungskette zu finden war, ist nach meiner Lektüre als absoluter Witz zu bezeichnen.

Da ich Colleen Hoovers Treiben immer wieder durch soziale Netzwerke verfolge, habe ich mich sehr bemüht, mich von Spoilern von „Nur noch ein einziges Mal“ fernzuhalten, daher bin ich sehr unbedarft an dieses Buch herangegangen und war dementsprechend überrascht, dass das Thema häusliche Gewalt den Dreh- und Angelpunkt dieses Werks ausmacht. Ich aber finde das ganz klar positiv, da auch ich häufig über diesen Mythos nachdenke, warum Frauen/Männer, die von ihrem Partner Gewalt erfahren müssen, diesen nicht verlassen können. Man merkt schnell, dass dieses Buch einen Erklärungsversuch bieten möchte und ich muss sagen, dass das großartig gelungen ist. Gerade am Anfang hatte ich doch einige Sorgen, ob mich das Buch frustriert zurücklassen würde, aber irgendwann spürte ich: das wird etwas ganz Großes!

Dass mich das Thema so sehr berührt hat und dass ich mich so intensiv in die Situation reindenken konnte, liegt ganz klar an der Protagonistin Lily. Ich habe schon mal öfters meine Schwierigkeiten mit Hoovers weiblichen Charakteren, da diese häufig sehr kindlich wirken, zu naiv agieren und dann absolute Drama Queens sind. All das trifft auf Lily so gar nicht zu, die mich wirklich von Seite 1 an voll überzeugen konnte. Das Kleinstadtmädchen, das aus ihrer schwierigen Kindheit gestärkt hervorgegangen ist und zu einer ambitionierten Karrierefrau geworden ist, die immer erst andere und dann sich selbst im Blick hat. Dazu zeigt sie eine Vernunft, die in Mut und Stärke gründet und daher war es Vergnügen, die dargebotene Welt aus ihren Augen zu erleben. Klar, dadurch dass sie durch ihren Job bereits fest im Leben steht, geht es gleich um sehr erwachsene Themen, aber trotzdem ist so eine in sich ruhende weibliche Protagonistin nun wahrlich nicht selbstverständlich.

Als großartig empfand ich auch, dass dieses Buch in vielerlei Hinsicht anders ist, als Hoovers sonstige Bücher. Neben den sehr erwachsenen Themen fällt ins Auge, dass diesmal definitiv nicht die Liebesgeschichte im Vordergrund steht, sondern vielmehr die Charakterstudie einer starken, jungen Frau. Gerade in Zeiten des Feminismus eigentlich perfekt gewählt. Natürlich gibt es auch Liebe, ja sogar ganz viel Liebe, aber „Nur ein einziges Mal“ zeigt, dass Hoover auch außerhalb von klassischen Liebesgeschichten funktioniert.

Maßgeblich durch Lily beeinflusst hat sich für mich ein Blick auf das Thema häusliche Gewalt ergeben, das mich tief berührt und auch sehr nachdenklich gemacht hat. Dieser Aspekt hat so viele Seiten, das man gar keine Stereotype fahren darf, da das keinem Betroffenen (ob nun Täter oder Opfer) gerecht wird. Diese Erfahrung wird literarisch perfekt umgesetzt und spätestens mit dem Nachwort der Autorin ergibt sich ein Bild, das noch einmal demonstriert, wie durchdacht dieses Werk von ihr war. Und diese Akribie und auch der Kampf, den sie selbst während des Schreibprozesses hatte, der legt sich eben in einer perfekten Lektüre dar.

Fazit: Es ist unheimlich mit welcher Präzision Colleen Hoover literarisch abliefert. „Nur ein einziges Mal“ ist dabei wieder so ganz anders als ihre bisherigen Werke, weil sie sich dem ernsten Thema häusliche Gewalt widmet und weil sie eine Protagonistin erschaffen hat, die mich glatt von den Socken haut und nun mit weitem Abstand mir die liebste Protagonistin bei Hoover ist. Das Buch ist dabei ein Gesamtkunstwerk, weil es eine wichtige Botschaft hat, aber zu keinem Zeitpunkt 1000% Gefühl außer Acht lässt. Daher vergebe ich voller Freude die volle Sternenanzahl!