Rezension

so alt und doch so modern

Jane Eyre - Charlotte Brontë

Jane Eyre
von Charlotte Bronte

Bewertet mit 5 Sternen

Wichtige Vorabinformation:

Ich habe erst nach dem Lesen für diesen Bericht auf den Klappentext geschaut, und war verärgert, dass da schon eine wichtige Einzelheit steht, die einem sehr viel Spannung beim Lesen nimmt: Ich kannte diese Information durch den Film ohnehin und wollte das Buch trotzdem lesen, aber wenn ich es nicht gewusst hätte, hätte ich das Buch wohl in die Ecke gefeuert und es sehr langweilig gefunden.

 

Janes Mutter starb bei der Geburt. Ihr Onkel nahm sie in seinen Haushalt auf, starb dann jedoch auch, sodass seine hartherzige Frau Jane aufzog. Tatsächlich interessierten diese Frau jedoch nur ihre eigenen drei verzogenen Kinder, die die Mutter vergöttert. Vor allem der Junge ist allerdings ein richtiges Miststück und demütigt und verletzt Jane immer wieder, wobei er es vor seiner Mutter so hinstellt, als wäre Jane das Biest und würde ihn drangsalieren. Weil die Mutter nur ihrem Goldstück glaubt, wird Jane somit auch noch hart bestraft, etwa durch Essensentzug, vorzeitiges ins Bett gehen oder dann auch mal Einsperren in einem "verfluchten" Zimmer, wo der Onkel gestorben ist. Schon da zeigt sich allerdings, dass Jane nicht zimperlich ist und dieses Verhalten ihrer Verwandten sie und ihren Willen nicht brechen kann. Sie zieht sich teilweise einfach in die Welt der Bücher zurück und fragt sich immer wieder, warum sie nicht geliebt wird. Sie schafft es allerdings auch nicht, ihrer Tante einfach um den Bart zu gehen, damit sie nicht so oft bestraft wird.

 

Ihre Tante schickt sie schließlich auf eine Mädchenschule, die von einem hartherzigen Pfarrer geleitet wird. Anfangs haben die Mädchen es wirklich sehr schwer und müssen etwa morgens immer angebrannten Haferbrei essen. Jane hat es dann noch einmal ein wenig schwerer, weil der Leiter von ihrer bösen Tante mit auf den Weg bekommen hat, dass sie eine intrigante Lügnerin sei und dies auch in der Schule verbreitet. Als es dann eine Typhus-Epidemie gibt, bei der viele Schülerinnen sterben, bessern sich die Zustände, denn der Stiftungsrat, der eigentlich die Aufsicht über die Schule hat, wird auf die schlechten Zustände aufmerksam. Bei der Epidemie verliert Jane jedoch ihre einzige wirkliche Freundin. Da sie mit Miss Temple, einer der Lehrerinnen, gut auskommt, geht es Jane verhältnismäßig gut in der Schule und sie bleibt schließlich sogar als Lehrerin dort. Erst als Miss Temple fort geht, entscheidet auch Jane sich, dass sie fort möchte und gibt ein Stellengesuch in der Zeitung auf. Zu dem Zeiitpunkt ist sie gerade mal 18 Jahre alt.

 

Sie fängt auf Thornfield Hall an als Hauslehrerin für Adele, einem kleinen, lebhaften französischen Mädchen. Jane freundet sich mit der Hauswirtschafterin Mrs. Fairfax an, die fast ein Mutter- bzw. Großmutterersatz für sie wird. Monate später kommt der Hausherr Mr. Rochester wieder auf sein Anwesen. Er scheint Gefallen an der gebildeten Jane zu finden und führt viele Gespräche mit ihr. Mit ihrer höflichen, zurückhaltenden, aber gleichzeitig sehr bestimmten und direkten Art ist Jane so ganz anders als die verzogenen jungen Frauen der Oberschicht, die oft nur oberflächlich sind und kichernd in der Ecke stehen. Es entwickelt sich eine freundschaftliche Beziehung, in der es ziemlich knistert und die Funken fliegen, doch es bleibt gesittet bzw. platonisch.

 

Gleichzeitig nehmen die unheimlichen Vorkommnisse auf Thornfield Hall zu. Schon seit ihrer Ankunft lief es Jane manchmal eiskalt den Rücken herunter, wenn sie jemanden in den oberen Etagen wie irre lachen hörte. Mrs. Fairfax erklärte zwar, das sei nur die Näherin Grace Poole, aber irgendwie glaubt Jane das nicht so recht. Als Mr. Rochester nun anwesend war, kam es zu weitreichenderen Vorfällen. Unter anderem brach mitten in der Nacht plötzlich ein Brand in Mr. Rochesters Zimmer aus, als dieser gerade im Bett schlief. Jane konnte ihn im letzten Moment retten, denn sie hatte noch wach gelegen und dieses teuflische Lachen wieder gehört, was sie veranlasste, nachzusehen.

 

Jane wird sich so langsam darüber klar, dass die Mr. Rochester nicht mehr nur wie ein kleines Mädchen anhimmelt, sondern anfängt, ihn wirklich zu lieben. Doch er scheint nur an der jungen und wunderschönen Blanche Ingram ernsthaft interessiert zu sein, während Jane für ihn ein kurzweiliger Zeitvertreib ist. Eine Heirat zwischen den beiden scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Jane wird unglücklich und denkt schon darüber nach, Thornfield Hall zu verlassen, denn mit Ms. Blanche als Hausherrin will sie nicht dort bleiben zumal Adele dann auch auf ein Internat geschickt werden würde. Sie ist nur verwundert, dass keinerlei Hochzeitsvorbereitungen getroffen werden. In einer stürmischen Nacht treffen sich Jane und Mr. Rochester dann im Garten. Jane gesteht ihm, wie unglücklich sie ist - und daraufhin macht ihr Mr. Rochester einen Heiratsantrag. Glücklich gehen die beiden ins Haus, während die Kastanie, unter der sie eben noch gestanden haben, vom Blitz getroffen und gespalten wird. Ein unheilvolles Zeichen ...

 

Meine Meinung
Das Buch riss mich genauso in seinen Bann, wie es der Film tat. Nachdem ich die ersten Kapitel gelesen hatte, war ich schon erstaunt über den Schreibstil. Immerhin ist das Buch annähernd 170 Jahre alt und wurde noch unter ganz anderen sozialen Verhältnissen geschrieben. Doch die Ansichten, die Jane hat, und ihre Gefühle sind die gleichen wie in der heutigen Zeit. Es ist zwar nicht verwunderlich, dass es auch schon früher solche Gefühle gab, aber soviel ich weiß, wurden sie nicht offenbahrt. Eine Person, gar eine junge Frau aus der Unterschicht, durfte damals eigentlich nicht so sehr aufbegehren, wie es Jane mitunter tut. Jane hat für ihre Zeit eine sehr fortschrittliche Denkweise, die vor allem auch auf Gerechtigkeit gerichtet ist unabhängig von den Ständen.

 

Dieser Roman, der aus der Sicht von Jane selbst erzählt wird, ließ mich selbst noch einmal Kindheit, Erwachsenwerden und dann die Probleme mit der Liebe erleben. Denn auch wenn die Zeiten und die genauen Umstände verschieden waren, so waren die Gefühle doch ähnlich. Und dann ist man hautnah dabei, als sich Jane zum ersten Mal verliebt, zum ersten Mal die Gefühle für einen Mann entdeckt. Und man erlebt auch ihren inneren Schmerz mit, als sie der Meinung ist, dass Mr. Rochester die affektierte Miss Ingram heiraten wird und sie keinen Chancen bei ihm hat.

 

Ich denke, dass dieser viktorianische Gouvernantenroman (so heißt dieses spezifische literarische Genre) eher ein Jugendbuch für Mädchen ist, denn größtenteils spielt der Roman während Janes Kindheit und Jugend, und auch als sie Mr. Rochester kennenlernt, ist sie gerade mal 18 Jahre alt und hat daher auch die Gefühle einer 18jährigen. Lange Zeit himmelt sie den ihr unerreichbar erscheinenden Mr. Rochester nur an. Und auch später handelt und denkt Jane eher wie ein Mädchen als wie eine Frau. Dies ist nicht unbedingt jedermanns Geschmack. Erst ziemlich zum Schluss denkt und handelt sie reif wie eine Frau, aber da ist das Buch schon fast zu Ende.

 

Jane ist während des gesamten Romans eine starke und leidenschaftliche Person, die zumindest mir gleich sympathisch war, auch wenn ich mich nicht in jeder Situation mit ihr identifizieren konnte. Manchmal trifft sie auch ein wenig seltsame Entscheidungen. So ist es für mich in der heutigen Zeit einfach unvorstellbar, dass die 18jährige Jane einfach eine Stellenanzeige aufgibt, eine einzige, kurze Antwort darauf erhält und fast sofort einfach so, ohne weitere Informationen zu haben oder abgesichert zu sein, in das weit entfernte Thornfield Hall reist. Es mag einfach der damaligen Zeit geschuldet sein, wo es einfach nicht so viele Informationsquellen gab, aber mir fiel als erstes das Wort Leichtsinn dazu ein. Was wäre, wenn nicht die nette Mrs. Fairfax, sondern irgendein hinterhältiger Schuft geantwortet hätte, der sie zu sich locken wollte? Niemand hätte dann gewusst, wo sie genau war, niemand hätte ihr helfen können. Und auch wenn es nur ein schlechter Job gewesen wäre, wo sie vielleicht ihr Geld nicht bekommen hätte, so wäre sie dann doch hilflos gewesen, weil sie kein Geld für ein Fortkommen von dort gehabt hätte.

 

Bemerkenswert finde ich gerade im Hinblick darauf, dass Charlotte Bronté die Tochter eines Pfarrers war, den Umgang mit der Religion in diesem Buch. Sie spielt fast keine Rolle, bleibt ganz im Hintergrund. Und doch ist sie irgendwie allgegenwärtig. Die Mädchenschule wurde von einem Pfarrer geleitet, der mit zweierlei Maß mass: Die Schülerinnen mussten unter seiner Leitung viel entbehren. Es war kalt, sie bekamen kaum etwas und schlecht zu essen, sie trugen sehr ärmliche Kleidung und durften nicht einmal lange Haare tragen. Alles sollte sie zu gottgefälligen Menschen machen. Alles andere sei lasterhaft und ein Werk des Teufels. Noch während er diese Predigt vor allen Schülerinnen hielt, standen hinter ihm allerdings seine eigenen Töchter in sehr schicker Kleidung und mit aufwändig zurecht gemachten Haaren. Und den Schülerinnen war genau diese Diskrepanz bewusst und sie machten sich hinter vorgehaltener Hand lustig über die Predigt. So etwas hätte ich in einem Roman von 1847 nie erwartet, schon gar nicht geschrieben von einer Pfarrerstochter. Ähnlich setzt sie sich an anderen Stellen über die religiösen Einstellungen, die zur damaligen Zeit gewiss die gängigen waren, hinweg und bildet sich ihre eigene Meinung darüber, was gottgefällig ist. Aber wie gesagt: die Religion ist eher im Hintergrund ein Thema, es ist alles andere als ein religiöses Buch.

 

Fazit
für die damalige Zeit ein herausragender Roman, aber vielleicht eher für weibliche Jugendliche und Junggebliebene interessant