Rezension

Sogar besser als Wallander

Verblendung - Stieg Larsson

Verblendung
von Stieg Larsson

Bewertet mit 4.5 Sternen

Verblendung, der erste Teil von Stieg Larssons Millenium-Trilogie behandelt hauptsächlich die Aufklärung des Verschwindens von Harriet Vanger, bietet aber noch wesentlich mehr.

 

Der wegen Verleumdung verurteilte Wirtschaftsjournalist Mikael Blomkvist erhält von dem Großindustriellen Henrik Vanger den geheimen Auftrag, nach Spuren über den Verbleib seiner Nichte Harriet zu suchen. Diese verschwand bei einem Familientreffen vor über dreißig Jahren spurlos. Obwohl Mikael zuerst skeptisch ist, findet er bald neue Hinweise in der jahrzehntelangen Suche, was mit dem Mädchen passiert sein könnte. Unterstützt wird er dabei unerwartet von der Hackerin Lisbeth Salander, die ihn für Vanger überprüfen sollte und so von seinen Ermittlungen erfährt.
Was die beiden allmählich zutage fördern, ist für sie nicht nur zuerst völlig unvorstellbar, sondern bringt sie auch in Lebensgefahr.

 

Doch das ist lediglich die Haupthandlung. Nebenbei schafft Larsson ein großes Portrait der Familie Vanger vor dem dunklen Hintergrund des Nationalsozialismus, beleuchtet besonders den Hintergrund der vielschichtigen Figur Lisbeth Salander näher und enthüllt die Hintergründe der Gerichtsverhandlung gegen Mikael. Der schwedische Faschismus, Gewalt gegen Frauen und Kritik an den Vorgehensweisen des Wirtschaftsjournalismus und an den Verbrechen bestimmter Großkonzerne sind die wichtigsten Themen des Buches.

 

Im Vorfeld wurden der Autor und seine Bücher häufig mit Henning Mankell und dessen Wallander-Romanen verglichen. Doch Larssons Stil ist ein anderer: Weitaus ausführlicher, detaillierter, weniger spröde und düster und sogar mit einem leisen Humor.
Dennoch ist das Buch nichts für allzu Zartbesaitete. Und das liegt nicht hauptsächlich an den Gewaltdarstellungen, die oft ausführlich, aber nie voyeuristisch beschrieben werden. Larsson schafft komplexe Charaktere, die selten eindimensional wirken. Das macht das Grauen realistischer und greifbarer als in anderen Werken, auch wenn der eigentliche Bösewicht am Ende etwas enttäuscht.
Vor allem Lisbeth Salander, von der Gesellschaft als asoziale Psychopathin verschrien und gerichtlich zur Unmündigkeit verurteilt, ragt aus dem Ensemble heraus. Sie ist eine der stärksten Frauenfiguren der gegenwärtigen Literatur und steht im krassen Gegensatz zu den meisten „Heldinnen“ gewisser beliebter Vampirromane: Weder wunderschön noch ein umgänglicher, vertrauensseliger Mensch. Dafür ist sie in der Lage, sich durchaus selbst zur Wehr zu setzen, auch wenn sie ihre eigenen Moralvorstellungen hat und Selbstjustiz in ihren Augen durchaus legitim ist. Man kann nicht jede ihrer Handlungen gutheißen, diese aber vor ihrem Lebenshintergrund durchaus nachvollziehen.

 

Insgesamt ist Verblendung nicht einfach ein weiterer Schweden-Krimi. In ihm wird schwere Kost thematisiert und nicht nur ein linearer Thriller präsentiert. Das und die Längen zu Anfang erschweren den Einstieg in die Geschichte, die erst nach den ersten hundertfünfzig Seiten wirklich an Fahrt gewinnt. Danach reißt die Spannung den Leser bis zur Auflösung des Falles und darüber hinaus mit.