Rezension

Sogar noch durchgeknallter als die ersten beiden Bände

Tante Poldi und der schöne Antonio
von Mario Giordano

Bewertet mit 4 Sternen

Wie soll man Tante Poldis drittes Abenteuer beschreiben?

Dolce Vita, bella figura, gutes italienisches Essen und ganz viel amore, das ist die eine Seite der Geschichte. Und diese Seite strotzt nur so vor Lokalkolorit, Urlaubsatmosphäre und Sommerflair. Der Autor beschreibt Land und Leute mit viel Liebe zum Detail, so dass man alles vor sich sehen, hören, riechen und schmecken kann, und er lässt sich Zeit dabei. Vielleicht nicht ganz das Richtige für Hardcore-Krimifans, aber schön zu lesen!

Nun zur anderen Seite der Geschichte:

Mafiosi, Fabelwesen, Geheimdienste und eine Vielzahl an schönen Antonios, und zusammen ergibt das den durchgeknalltesten Krimi, den man sich nur vorstellen kann. Waren die ersten beiden Abenteuer von Tante Poldi schon knallbunt und jenseits aller üblichen Maßstäbe von Glaubwürdigkeit, muss man sich hier von Anfang an darauf einlassen, seine Zweifel an der Tür abzugeben.

Ehrlich gesagt wurde das selbst mir manchmal zu viel, und ich bin ein ganz, ganz großer Fan von Tante Poldi. In dieser Geschichte ist einfach alles möglich. Da wirbelt die über 60-jährige Poldi herum wie Jackie Chan oder betätigt sich als verführerische Spionin wie Mata Hari. Und über Wunderkinder, Zyklopen und Meerjungfrauen brauchen wir gar nicht erst reden.

Gelegentlich ging mir da ein wenig die Spannung verloren, weil Poldi so übermächtig erschien, dass ihr sowieso nichts passieren konnte. Unterhaltsam fand ich das Buch dennoch immer, wenn auch auf Nicht-Krimi-Art.

 Poldi ist nach wie vor ein Charakter, den man wahrscheinlich liebt oder hasst. Sie ist laut, sie ist schrill, sie wirkt oft selbstsüchtig, und trotz allem ist sie auch ein Charakter mit einer gewissen Tragik. So lustig sie auch wirkt mit ihrer riesigen Perücke, ihrer frechen Art, ihren absurden Klamotten und ihrem enormen Alkoholkonsum, merkt man doch oft, dass sie eigentlich an Depressionen leidet.

Immerhin ist sie ja ursprünglich nach Sizilien gezogen, um sich mit Meerblick zu Tode zu saufen.

Und so leicht es auch wäre, Poldi zu unterschätzen, zeigt sie doch oft eine große Lebensweisheit. Ich konnte als Leserin sehr gut verstehen, warum es so viele Menschen gibt, die Poldi lieben und für Poldi fast alles tun würden.

Der Autor zeichnet seine Charaktere ungemein liebenswert. Und so überlebensgroß, wie sie manchmal wirken, sind sie doch auch gleichzeitig sehr glaubhaft.

Der Schreibstil ist eine Nummer für sich. Manchmal ist er grandios, vor allem, wenn der Autor Land und Leute beschreibt.  Dann ist er wieder sehr überzogen, mit viel zu vielen Adjektiven und überdramatischen Metaphern. Aber! Anders dürfte er gar nicht sein. Man darf nicht vergessen, wer diese Geschichte erzählt: Nämlich Poldis Neffe, der Möchtegern-Schriftsteller, der sich manchmal für das größte literarische Talent aller Zeiten hält und dann übers Ziel hinausschießt.

Mit dem Humor in diesem Buch ist es wie mit Tante Poldi selber, subtil ist was anderes. Aber wie Poldi sagen würde: Dezenz ist Schwäche. Da muss man als Leser einfach durch.

| FAZIT | 

Poldis drittes Abenteuer setzt nochmal einen drauf. Schneller, lauter, schriller, verrückter. Vieles kann man hier einfach nicht mehr glauben, aber das soll man wahrscheinlich auch nicht. Ein richtiger Krimi ist das nicht mehr, obwohl es eine Leiche gibt und sowohl Geheimdienste als auch die Cosa Nostra eine Rolle spielen.  

Aber in meinen Augen liest man die Abenteuer von Poldi auch nicht wegen dem Krimi, sondern wegen der Poldi. Mir reicht das vollkommen, und ich werde die Reihe auf jeden Fall weiter verfolgen.

Als Einstieg würde ich diesen dritten Band allerdings nicht empfehlen. Obwohl man ihn sicher auch ohne Vorwissen der ersten beiden Bände lesen kann, ist es besser, wenn man die Charaktere und die Vorgeschichte schon kennt.

Kommentare

Emswashed kommentierte am 11. Februar 2018 um 16:16

Tante Poldi trägt also die Geschichte. Nun denn, so wie sie auf dem Cover rüberkommt, scheint sie oberflächlich zu sein, aber nach deiner Beschreibung würde ich mich ohne weiteres mit ihr und einer Flasche an die Küste mit Meeresblick setzen. Dass der Neffe so übertreiben muss, dafür kann sie ja nichts. ;-)