Rezension

Solide, aber nicht überragend ...

Girl on the Train - Du kennst sie nicht, aber sie kennt dich.
von Paula Hawkins

Bewertet mit 3 Sternen

Rachel fährt jeden Tag mit dem Zug in die Stadt und jeden Morgen hält dieser Zug an einem Haltesignal. Jeden Morgen lässt sie ihren Blick durch die Gärten der Vorstadthäuser gleiten und sie bleiben immer bei einem Haus hängen, in ihren Kopf hat das Paar Namen und sie spinnt sich Geschichten dazu, von einem Leben, was jeder gern hätte, von einer Beziehung, die sich Rachel gerne wünscht. Aber an diesem einen Morgen ist etwas anders und Rachels Vorstellung bekommt Risse und kurz darauf liest sie in der Zeitung vom Verschwinden einer Frau, genau der Frau von ihren Tagträumen im Zug. Was ist passiert? Ist ihre Beobachtung wichtig genug um sie der Polizei zu melden? Rachel lässt sich darauf ein und verstrickt sich immer mehr in diesen Fall. Wird sie die Wahrheit heraus bekommen?

Was war ich neugierig und gespannt auf dieses gehypte Buch, der Klapptext war so vielversprechend und schrie mich förmlich an, dass es genau meins wäre und ich es doch lesen muss. Natürlich höre ich auf so was und habe es jetzt auch endlich geschafft und gelesen. Aber leider ist das mit solchen Büchern ja immer, man hat eine meterhohe Erwartungshaltung und ist dann einfach etwas enttäuscht, wenn diese nicht erfüllt werden. Am besten vorab, ich fand es gut, aber leider nicht überragend.
Fangen wir am besten mit den Erzählstimmen an, und zwar wird die Geschichte aus drei Perspektiven belichtet. Da haben wir natürlich Rachel, sie ist eine absolute Verliererin, gescheiterte Ehe, Alkoholikerin, lebt mehr in der Schwebe und kann ihr altes Leben nicht los lassen. Was mich direkt am Anfang gestört hat, war, dass sie mit den Häusern und der Umgebung eine Verbindung hat und nicht als außenstehende Fremde in die Geschichte mit reingezogen wurden, ist. Für mich war das zu Anfang nicht aus dem Klappentext erkennbar und hat für mich den Reiz an der Geschichte ein wenig genommen.
Dann haben wir natürlich das Opfer Megan, ihre Geschichte und Erlebnisse werden immer in kleinen Rückblenden mit eingeflochten. Sie ist verheiratet, ist aber immer zu Hause und scheint auch in einer Blase zu leben, kann mit der Vergangenheit nicht abschließen und sucht sich ihre Bestätigung in anderer Form. Eine Frau, die nach außen hin perfekt wirkt, aber jede Menge Geheimnisse in sich trägt.
Die Dritte im Bunde ist die neue Frau von Rachels Ex-Mann, Anna. Von der Geliebten zur Ehefrau und Mutter. Sie fühlt sich bestätigt, lebt ihren rosaroten Traum in Rüscheschürze, wenn da nicht immer Rachel aufkreuzen und ihr Leben zur Hölle machen würde. Sie will, dass sie verschwindet und am liebsten wegziehen, wenn da nicht immer Tom wäre, der einlenkt.
Okay, ich sage es gleich, ich mochte keine von den drein, sie sind alle so machtbesessen, gierig, egoistisch, süchtig und auch verdorben. Keine ist für mich seelisch gesund und sie ziehen einen beim Lesen in eine Welt aus Schlechtigkeit, Missgunst und Niedertracht, man kann wirklich von den Abgründen der menschlichen Seele sprechen. Ich glaube auch das, das der Punkt ist, wo ich einfach sagen muss, es gibt in dieser Geschichte nur Schatten und kein Licht und allein die Figuren, ob Frauen oder Männer ziehen ein richtig runter und ich konnte mit wirklich keinen richtig sympathisieren.
Der größte Anteil wird natürlich von Rachel erzählt und ihre Sicht der Dinge ist schon gut dargestellt. So erleben wir ihren Kampf um Aufmerksamkeit, Glaubhaftigkeit und wie bekomme ich mein Leben wieder auf die Reihe. Diese verzweifelte Persönlichkeit hat die Autorin richtig gut eingefangen und ihre Gefühle und ihre Schwäche sind beim Lesen gut spürbar und man selbst gerät in Verzweiflung. Aber wir erleben auch durch die Sicht von Anna, eine andere Rachel und so ist man einfach immer hin und her gerissen zwischen Glauben und Verabscheuen.
Dieser dunkle Sog macht die Geschichte aus, denn ich möchte ganz ehrlich sagen, dass sie jetzt nicht unbedingt so spannend geschrieben ist. Der erste Teil beschäftigt sich mit den Figuren, da lässt sich die Autorin Paula Hawkins mächtig viel Zeit und erst nach drei Viertel des Buches beginnt die Geschichte an Fahrt, um dann in einem Ende anzukommen, was ich schon sehr früh erahnt hatte. So war  es für mich nicht die große Überraschung am Ende, die viele erstaunt und mit offenem Munde zurück gelassen hat.
Ein Roman über das menschliche Versagen, über das eigene Schlechte in unserer Gesellschaft. Für mich war es jetzt kein Thriller im klassischen Sinne, sondern eher ein Beziehungsdrama. Erzählerisch hat es Paula Hawkins auch so gesehen richtig gut gemacht, sich Raum gelassen, viel anderes belichtet, als es wirklich war, sie hat gute psychologische Kriegsführung betrieben. Die Süchte ziemlich gut in Szene gesetzt und auch den eigenen Unglauben über das wirkliche Leben dieser Protagonisten. Ich habe das Buch trotz der Längen und der nicht wirklich netten Person gern gelesen, es hat mich einfach nicht los gelassen, denn ich wollte ja nun wissen, ob es noch die eine Wendung gibt, die mich überraschen würde. Die Geschichte ist hart, emotionsgeladen und mit viel schlechten menschlichem Realismus bestückt. Ein solider Roman, aber für mich jetzt nicht das Buch.