Rezension

Solide Gruselgeschichte, die mich leider nicht ganz einfangen konnte

Spiegel des Bösen - Björn Springorum

Spiegel des Bösen
von Björn Springorum

Bewertet mit 3 Sternen

Björn Springorum inszeniert seine Handlung rund um ein unheimliches, abgelegenes Grandhotel und versucht sich an einem Mix aus klassischer Horrorgeschichte und Jugendabenteuer. Dabei hält er sich nicht mit langen Vorreden auf. Nachdem Hauptprotagonistin Sophie gleich auf den ersten Seiten gemeinsam mit ihren Eltern in dem als Setting gut gewählten Gruselhotel - hoch oben in der kargen Berglandschaft - ankommt, wechselt der Autor mit scharfen Schnitten unvermittelt in eine surreale und teils albtraumhafte Odyssee durch verwaiste Etagen und leere Gänge.

Was folgte, war für mich eine Achterbahnfahrt der Lesegefühle, die mich insgesamt immer ein wenig auf Abstand zu der Geschichte gehalten hat. Zum einen fehlte mir die Zeit, um ein Gespür für die verschiedenen Stimmungen und Hauptcharakter Sophie zu entwickeln. Zusätzlich erschwert dadurch, dass manches verwirrend und teilweise unlogisch schien. Beispielsweise, wenn der Concierge Sophie - deren Eltern plötzlich verschwunden sind - in den Keller schickt, weil sie dort angeblich in Sicherheit sei und Sophie den Rat umgehend befolgt, weil ... Eltern weg, alles extrem gruselig und, äh, da geht man natürlich unbedingt IN DEN KELLER. Wie sich herausstellt, ist diese Idee aber nicht so dumm, wie sie in meinen Ohren zunächst klang, denn im Keller trifft Sophie auf sechs teilweise hilfsbereite Gestalten, einer davon ein Junge namens Max, in den sich Sophie schnell verliebt und gemeinsam versuchen sie das Rätsel des Spukhotels zu lüften.
Hier mangelte es mir einfach an Sinn, wenngleich die Geschichte sich diesem Vorwurf aufgrund ihres unwirklichen Moments natürlich zu entziehen scheint. Aber der Keller, seine Bewohner und der Umstand, dass ausgerechnet mit Sophies Auftauchen soviel ins Rollen kam, waren zu seltsam, um es einfach so hinnehmen zu können. All das blieb durchgängig ein Stolperstein für mich.

Seinen Zweck erfüllt der Keller insofern, als er einen Ruhepol in einem ansonsten völlig unberechenbaren Geschehen mit vielen Bedrohungsmomenten bildet. Denn immer, wenn die Protagonisten den Keller verlassen, kommt das Grauen. Da sich das Geheimnis jedoch nicht vom sicheren Rückzugsraum aus lösen lässt, ist der Schrecken programmiert. Gelungen sind hier viele der Gruselszenen - klassischer Horror, der auf effektvollen Schockmomenten aufbaut, aber nie blutig wird - bei denen mir teilweise die Spucke weg blieb und ich das Atmen vergaß, die jedoch nicht ausreichten, um mich an das Buch zu binden und die Spannung zu halten.

Zwischendurch gab es Rückblicke, in denen es um ein (zurecht!) extrem wütendes Zimmermädchen geht. Diese Szenen schlagen die Brücke zu den Ereignissen in der „Gegenwart“ und ich fand sie enorm wichtig. Sie verhindern ein Kippen der Story in völlige Verwirrung. Sie zeigen, dass den Mysterien Ursachen zugrunde liegen, etwas was sich erklären und am Ende irgendwie nachvollziehen lässt. Durch die Rückblenden wurde die Sache gut abgerundet, auch wenn die Auflösung zu früh auf der Hand liegt, um im Finale großes Staunen hervorrufen zu können.

Schwer tat ich mich vor allem mit der Liebesgeschichte. Natürlich lockert sie das düstere Geschehen angenehm auf und ist im Grunde ganz süß, aber eigentlich ging mir das alles zu schnell. Sophie und Max sind zwei nette Teenager mit genug Tatendrang, um die Ereignisse am Laufen zu halten, entwickeln aber (ebenso wie die Nebencharaktere) keine Tiefe, weil sie zu oft wie Pingpong-Bälle durch die „Horrorshow“ geschleudert werden. Die große Liebe habe ich ihnen vor dem Hintergrund dieser extremen Situation nicht abnehmen können und hätte es wohl besser gefunden, wenn ihre Gefühle nicht so sehr in diese Richtung zugespitzt worden wären. Irritiert hat mich hier übrigens auch der Erzählton, der mich anfangs an eine jüngere Protagonistin denken ließ, was zu kleiner Verblüffung führte, als mir klar wurde, dass es sich um ein 16jähriges Mädchen handelt und sich einiges tatsächlich auf dieses Alter zugeschnitten entwickelt. 

Der Schreibstil ist ansonsten einfach und flüssig, kam mir aber an einigen Stellen sprunghaft vor. Immer wieder hatte ich das Gefühl, dass sich Ereignisse überschlagen, Dinge ausgelassen werden, ich nicht hinterher kam, immer noch in der einen Szene feststeckte, während bereits wieder etwas Neues begonnen hatte.

Viele sind von dem Buch begeistert. Das muss auch gesagt werden. Aber ich kann es nicht ändern, der Funke wollte nicht überspringen. Idee und Setting sind toll, einige Szenen sehr gelungen, die Auflösung nachvollziehbar, aber als Gesamtpaket hat mich „Spiegel des Bösen“ nicht erreicht. Manches blieb ungeklärt oder wollte mir einfach nicht einleuchten, die Charaktere blieben mir ebenso fremd wie die Liebesgeschichte und der Spannungsbogen bestand aus einer Aneinanderreihung von Schreckmomenten, deren Wirkung sich für mein Empfinden zu schnell aufbrauchte.