Rezension

Solide, von schottischem Lokalkolorit stark geprägte, Spannungslektüre

Wenn du mich tötest - Karen Winter

Wenn du mich tötest
von Karen Winter

Bewertet mit 4.5 Sternen

Bei "Wenn du mich tötest" handelt es sich in meinen Augen definitiv um keinen Thriller und hier erfolgt auch nicht in belletristischer Form eine analytische Auseinandersetzung einer Ehe, obschon der Titel häufig als "Psychogramm einer Ehe" dargestellt wird; stattdessen ist dieser Roman meiner Meinung nach ein gewöhnlicher Krimi, der sich nicht nur darauf beschränkt, einen verworren scheinenden Vermisstenfall aufzuklären, sondern zudem durch ausgeprägten schottischen Lokalkolorit den Leser auch noch reiselustig zu stimmen vermag.

John Gills ist Detective Seargant bei der schottischen Polizei und da er aus der dortigen Region stammt, beordert der zuständige Polizeichef ihn nach Kinlochbervie, wo eine deutsche Touristin von ihrem Mann als vermisst gemeldet wurde: Die Kurzbeschreibung des Romans ließ mich zunächst annehmen, die Handlung konzentriere sich vornehmlich auf Julian, den Mann der Vermissten, und dass dieser hier als Protagonist fungieren würde.
Tatsächlich ist aber der Ermittler John die tonangebende Hauptfigur und da es ihn in seine Heimat verschlägt, bleibt natürlich auch sein Privatleben nicht außen vor: Dies findet sich aber in keinem elementaren Nebenstrang wieder, sondern wird in der Regel von eher zufälligen Wiedersehen widergespiegelt: So wird einerseits deutlich, dass John in dieser Gegend kein Fremder ist, anderseits sind diese Szenen aber so subtil, dass John Privatleben die Ermittlungen niemals in den Hintergrund rücken lassen kann. Ich mochte es sehr, dass "Wenn du mich tötest" konstant fallorientiert blieb.

Julian ist eine sehr undurchschaubare und undurchsichtige Figur; seine Beschreibung der Umstände, unter denen Laura verschwunden ist, ziemlich vage und äußerst unglaubwürdig, so dass es absolut nachvollziehbar ist, dass John sehr schnell davon überzeugt ist, Julian müsse Laura getötet und ihre Leiche verschwinden lassen haben. Nahezu von Anfang an wird der Vermisstenfall mit einem Mordfall gleichgesetzt; stellenweise war mir dieser Eindruck aber zu festgefahren und ich hatte teils das Gefühl, als würde man mit einem Tunnelblick lediglich in die Richtung ermitteln, in der man Julian des Mordes überführen könnte, und jegliche andere Möglichkeit außer Acht lassen. Da war mir John zuweilen doch etwas zu übereifrig. 
Den Fall fand ich allerdings sehr spannend, zumal es ab und an doch eine unerwartete Wendung gab und ich im Allgemeinen sehr gut miträtseln konnte; teils erschien das ganze Szenario auch so diffus, dass gar nichts unmöglich schien - und eben das waren dann die Momente, in denen John mir zu einseitig arbeitete. 

Zum Schluss des Romans gibt es noch eine weitere Wendung, ein letztes Drama, und dieses hat mich hier doch sehr gestört: Der Showdown zum Schluss war für mich zu hanebüchen und ohnehin völlig überflüssig, da die Hintergründe von Lauras Vermisstentum hier bereits aufgeklärt worden waren. 
Sehr gut gefiel mir allerdings die starke lokale Einfärbung und im Allgemeinen die Darstellung des Settings; man konnte sich die Gegend, in der sich die Handlung zutrug, sehr genau vorstellen - und ich fand auch, dass sie zu einer Reise entlang der schottischen Küste einlud (bei der man hoffentlich nicht selbst mitten in einen Kriminalfall hineingeraten würde).