Rezension

Solider Reihenauftakt, der sein immenses Potential aber nicht ausschöpft

Broken Dolls - Er tötet ihre Seelen
von James Carol

Bewertet mit 3.5 Sternen

Inhalt:

In London wurden bereits 4 Frauen entführt und über Monate gequält. Danach fand man sie mitten in London ausgesetzt wieder. Die Frauen leben noch, aber ihnen wurde ein Teil des Gehirns entfernt, so dass sie nichts mehr sind als leblose Hüllen ohne Verstand und Persönlichkeit. 

Da das britische Ermittlungsteam in dem Fall nicht weiterkommt, wendet man sich an den bekannten Profiler Jefferson Winter. Er ist der Sohn eines Serienkillers und kann sich aus diesem Grund besonders gut in solche hineinversetzen. 

 

Cover und Gestaltung:

Das Cover ist passend, da es schon das Folterwerkzeug, den Orbitoklast zeigt, mit dem der Täter die Lobotomie an den Frauen durchführt. Sehr passend ist auch der Untertitel "Er tötet ihre Seelen".

 

Meine Meinung:

Auf dieses Buch bin ich zum einen aufmerksam geworden, da ein Fallanalytiker als Ermittler fungiert. Zum anderen hat mich vor allem die im Klappentext erwähnte Tatsache gelockt, dass der Vater dieses Ermittlers selbst ein Serienkiller ist. 

Nach der Lektüre hat mich dieses Buch äußerst zwiespältig zurück gelassen. Das Thema Fallanalyse und die Herangehensweise von Jefferson Winter an den Fall haben mir sehr gut gefallen. Er hat eine unglaubliche analytische Denkweise und Fähigkeit sich in den Täter hineinzuversetzen, so dass man einen Einblick in dessen Psyche bekommt, ohne dass ein einziges Kapitel aus seiner Sicht geschrieben wurde. Der Großteil des Buches wird aus der Ich-Perspektive von Jefferson Winter geschrieben. Durch kurze hervorgehobene Abschnitte, in denen Winter zum Beispiel die Entführung oder Freilassung der Opfer nochmal gedanklich nachstellt, bekommt man aber auch einen Einblick in die Perspektive des Täters. Außerdem sind immer wieder Kapitel aus Sicht des fünften Opfers Rachel eingeschoben.

Jefferson Winter hat eine eher kühle, eigenwillige und unkonventionelle Art. Er ist als Charakter sehr interessant angelegt, auch wenn er oft schon als zu perfekt dargestellt wird.

Aber die Tatsache seiner komplizierten familiären Hintergrundgeschichte und dass sein Vater ein Serienmörder ist, welche mich eigentlich am meisten an diesem Buch reizte, wurde nur kurz im Prolog angeschnitten und danach kaum mehr thematisiert. Auch für die Geschichte oder für die Entwicklung von Winters Charakter spielt sie eigentlich keine Rolle. Bis auf ein paar halbherzige Andeutungen hatte ich auch nicht das Gefühl, das dieser tragische familiäre Hintergrund Winter deutlich geprägt hätte. Im Gegenteil: für mich war diese Herkunft von Winter, mit dem ja im Klappentext "geworben" wurde am Ende zumindest für diesen Auftaktband der Reihe eher überflüssig. Dies hat mich doch sehr enttäuscht, da es ein sehr interessanter Ausgangspunkt hätte sein können und ich mir von der Thematik der Vererbung oder Anerziehung solcher dunklen Trieben deutlich mehr erwartet habe.

Außerdem hat mir über weite Strecken des Buches auch etwas die Spannung gefehlt. Die ersten 250 Seiten waren doch sehr gemächlich. Erst zum Ende hin nimmt die Geschichte deutlich an Fahrt auf und das Ende ging mir dann fast schon wieder zu schnell. 

Die Auflösung und Motivation des Täters ist nicht wirklich etwas besonderes in der weiten Thrillerlandschaft, wohl aber seine Vorgehensweise. Denn hier tötet der Täter seine Opfer nicht, sondern er unterzieht sie nach langer Folter einer Lobotomie, dh. er entfernt Verbindungen vom Frontallappen zum restlichen Gehirn, wodurch die Opfer jegliche Empfindungen und Persönlichkeit verlieren.

Das klingt jetzt vielleicht alles negativer als es soll, denn es ist ein gutes Debüt und ich werde die Reihe auch weiterverfolgen. Aber meine Erwartungen, die im Übrigen allein der Klappentext geschürt hatte, wurden in diesem Auftaktband leider nicht erfüllt und ich erhoffe ich mir wesentlich mehr in der Fortsetzung.

 

Fazit:

"Broken Dolls" ist ein solider Reihenauftakt, der das Thema Fallanalyse sehr gut darstellt und mit einer ungewöhnlichen Vorgehensweise des Täters aufwartet. Allerdings hat James Carol hier auch viel Potential dessen verschenkt, was in der ungewöhnlichen familiären Hintergrundgeschichte seines Ermittlers Jefferson Winter liegt. Für die Fortsetzung würde ich mir eine stärkere Einbindung dieser Vater-Sohn Thematik wünschen.

Insgesamt bekommt das Buch von mir daher 3,5 Sterne.

 

Originalität 5/5
Umsetzung 3/5
Schreibstil 4/5
Charaktere 4/5
Tempo 3/5
Tiefe 3/5
Lesespaß 3.5/5

Rezension auch auf scriptoflife-buecherblog.blogspot.de