Rezension

Solides Debüt

Leinsee
von Anne Reinecke

~~Inhalt
Karl ist keine 30 Jahre alt und hat sich dennoch schon einen Namen als Künstler gemacht. Seine Eltern sind August und Ada Stiegenhauer, die als das Glamour-Paar der deutschen Kunstszene gelten. Schon als Kind musste er die bittere Erfahrung machen, dass er keinen Platz in der Beziehung seiner Eltern hat und auch als Erwachsener pflegt er keinen Kontakt zu diesen. Doch nun ist der Vater verstorben und die Mutter schwer erkrankt. Karl muss mit einer Situation umgehen, die seine Welt ins Schwanken bringt. Hilfe bekommt er dabei bei dem kleinen Mädchen Tanja.

Meine Meinung
"Leinsee" beginnt ganz zauber- ja schon fast ein wenig märchenhaft. Mit poetisch wirkenden Kapitelüberschriften wie "Kanarienvogelgelb" und "Plastikschildkrötengrün" erzählt Anne Reinecke in einem humorvollen Ton von einer Künstler-Familie, in der zwar die Ehe der Eltern durch eine ungewöhnlich hohe Intensität und Liebe geprägt war, aber das Verhältnis zu dem Sohn Karl äußerst fragwürdig und sonderbar verlief. Statt ihn an die Hand zu nehmen und einen Teil des Lebenswegs zu begleiten und zu unterstützen, haben die Eltern ihn schon früh ins Internat abgeschoben, damit er schnell auf eigenen Beinen steht. Ungeliebt und auch ungebraucht – so war das Gefühl, dass Karl Zeit seines Lebens bekam, weshalb er den Kontakt zu den Eltern abgebrochen und unter anderem Namen eine Laufbahn als Künstler eingeschlagen hat. Nun kehrt er jedoch nach Leinsee zurück, da sein Vater sich erhängt hat und seine Mutter auf der Intensivstation liegt.

Soweit so gut und so berührend. Doch dann betritt die achtjährige Tanja sein Leben und die Geschichte verliert an Zauber. Ich habe bis zum Ende nicht verstanden, was Karl so faszinierend an dem Mädchen fand. Dies arbeitet die Autorin nicht aus, sondern lässt zu viel Raum für Spekulationen. Denn Karl redet anfänglich noch nicht einmal mit Tanja, sondern erhält von ihr lediglich Gegenstände, die er als Kostbarkeiten hortet. Erst im späteren Verlauf entsteht so etwas wie eine nachvollziehbare Beziehung zwischen den beiden, die leider auch noch in eine Liebschaft mündet, als Tanja 18 Jahre alt ist. Diesen Aspekt hätte die Autorin gerne weglassen können, da ich eine Beziehung zwischen den beiden unpassend finde. 

Wendungen werden zwar plausibel aufgebaut, bieten aber keine Spannungsmomente, da sie zu vorhersehbar sind. Im letzten Viertel hat für mich die Geschichte dann immer mehr ihrer anfänglichen Kraft verloren. Es ist dann nur noch ein Liebesroman mit Happy End. Schade, da Anne Reinecke so sehr viel Potenzial vergibt, aus dem man wesentlich mehr hätte machen können.

Fazit
"Leinsee" ist ein solides Debüt, welches stark anfängt, es dann aber nicht konsequent schafft das hohe Level zu halten.