Rezension

Spannend, beklemmend und realistisch

54 Minuten - Marieke Nijkamp

54 Minuten
von Marieke Nijkamp

Bewertet mit 4 Sternen

Marieke Nijkamps „54 Minuten“ ist das zweite Buch, welches das Thema Amoklauf be- & verarbeitet, und welches ich gelesen habe. Die Geschichte wurde mir bereits auf der Leipziger Buchmesse schmackhaft gemacht und ich war äußerst gespannt, wie die Autorin es schafft, so ein ernstes Thema literarisch umzusetzen ohne in eine Art Sensationsgier zu verfallen. Jedoch ist es Niejkamp gelungen, mich von Beginn an zu fesseln.

Die Handlung beginnt am 1. Schultag des zweiten Halbjahres an der  Opportunity High School. Die Direktorin Mrs. Trenton hält ihre gewohnte Ansprache. Doch als die Versammlung zu Ende ist, sind die Türen der Aula verschlossen. Es gibt kein Entkommen, den der Schüler Tyler hat die gesamte High School in seine Gewalt gebracht. Es beginnt ein nervenaufreibendes Spiel zwischen dem Amokläufer und einigen Schülern, und es gibt Opfer. Viele Opfer!

Wir erleben die Geschichte aus der Sicht von Sylv, Tomás, Autumn und Claire. Alle hatten schon irgendwie Kontakt mit Tyler. Autumn ist seine Schwester, Sylv wurde von ihm bedroht, Tomás hat Tyler gerne fertig gemacht & Claire war eine zeitlang mit Tyler zusammen. Jede Person zeigt eine andere Sicht auf den Amoklauf und den Amokläufer. Sein zwiespältiger Charakter erklärt sich in gedanklichen Rückblenden der einzelnen Protagonisten. Was mir gefehlt hat, ist die Sicht Tylers. Gerne hätte ich seine Gedanken, mögen sie auch noch so böse sein erlebt. Aber kann man aus der Sicht eines Amokläufers schreiben?

Der Autorin ist es gelungen, eine spannende, beklemmende aber auch realistische Handlung aufzubauen. Man spürt die Angst einzelner und die Furcht davor, dass man vielleicht als nächstes eine Kugel abbekommen könnte. Das erzeugt eine bedrückende Stimmung, die sich durch das gesamte Buch trägt. Aber man spürt auch die Hoffnung und die Liebe, die von einzelnen Charakteren ausgeht. Und der Mut sich gegen den Täter zu stellen, auch wenn es vielleicht das Letzte ist, was man tut.

Letztendlich spricht vieles für das Buch. Der Schreibstil ist klasse und bringt einen nah ans Geschehen. Ständig kommt die Frage: Wer überlebt? Wer nicht? Muss man sich von einigen Charakteren verabschieden? Bekommt Tyler seine gerechte Strafe? Besonders gut gefiel mir, der minutiöse Aufbau der Handlung. Er macht die Geschichte spannend und fesselt so sehr, dass man das Buch schnell durch hat. Der einzige Kritikpunkt ist, dass ich gerne auch Tylers Gedanken erfahren hätte. Ich glaube nämlich, dass dies der Handlung noch ein wenig an Spannung und Tiefe gegeben hätte. Dennoch kann ich für „54 Minuten“ meine klare Leseempfehlung aussprechen und hoffe, dass ich viele Menschen dieses Buch schmackhaft machen konnte.