Rezension

Spannend bis zum Ende

Mr. Mercedes
von Stephen King

Bewertet mit 5 Sternen

Inhalt

Bill Hodges ist ein Polizist im Ruhestand. Seinen Beruf hat er mit gutem Instinkt und bestem Gewissen ausgeführt, Ja, er ist ein guter Cop gewesen, hat sogar manchmal sein Privatleben völlig zurückgestellt um seinen Job so gut wie möglich machen zu können.
Was ihm das brachte, war Erfolg im Beruf und die Auflösung privater Kontakte. Seine Frau wünschte die Scheidung, seine Tochter entfernte sich nach und nach von ihm.
Als er noch seinem Job nachging, fand er gelegentlich Trost im Alkohol, doch auch der reizt ihn nun überhaupt nicht mehr, alles was ihm bleibt, ist sein Fernseher mit den stupiden Nachmittagssendungen und seine Pistole, die dabei auf seinem Schoß Platz findet.
Wie oft hat er schon darüber nachgedacht seinem tristen Leben einfach ein Ende zu bereiten?

Tag für Tag spult sich vor ihm ab, er findet jedoch nicht den Mut sich selbst zu töten und das ist gut so, denn an einem Tag wie jedem anderen erhält er einen Brief, der sein Leben ändern wird.

Vor gar nicht so langer Zeit, als er noch berufstätig war, rollte ein gestohlener Mercedes in eine Menschenmenge zum einzigen Zweck so viele Menschen wie möglich zu töten. Diese Menschen standen Schlange vor einem Gebäude, weil sie arbeitslos waren und eine Annonce versprach 1000 Menschen garantiert einen Job verschaffen zu können. Und so kampierten die verzweifelten Menschen vor dem Gebäude um ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen, als der Wagen anfuhr und ihnen dieses nahm oder sie für immer verstümmelte.

Der Massenmörder, der fortan Mr. Mercedes genannt wurde, entkam und Hodges ermittelte in diesem Fall. Er konnte den Mörder nicht vor seiner Pensionierung schnappen und nun schrieb er ihm tatsächlich.

Der Brief sollte eigentlich den Nutzen haben Hodges in den Selbstmord zu treiben, genauso wie es Mr. Mercedes bei der Besitzerin des gestohlenen Mercedes geschafft hatte, wie Hodges später erfährt. Doch er bewirkt das genaue Gegenteil.
Hodges sieht nun wieder einen Sinn in seinem Leben, er will diesen Mistkerl schnappen, koste es was es wolle.

Die beiden kommunizieren mittels eines anonymen Internet Chat-Portals miteinander. Der Leser erfährt schon sehr früh, wer der grausame Mörder ist, Hodges jedoch tappt lange im Dunkeln, obwohl sich sein Gegner genau vor seiner Nase befindet.

Bill findet Mitstreiter bei seiner Arbeit und auch wenn er sich um ihre Sicherheit sorgt, so weiß er doch ihre Hilfe zu schätzen und weiß, dass er ohne sie aufgeschmissen wäre.

Die Situation spitzt sich immer weiter zu und nähert sich einem Ende, in dem alles möglich ist, auch wenn wir das Beste hoffen, so wissen wir doch, dass Stephen King zwar Happy Ends schätzt, jedoch auch nicht vor einem großen Knall zurückschreckt.

Meine Meinung

Am Anfang des Buches bekommen wir das Mercedes Massaker hautnah mit, lernen noch ungemein sympathische Menschen kennen, die wir elendig sterben sehen.
Damit sind wir sofort in der Geschichte drin und fühlen sofort den Schrecken dieses ungeheuren Massenmordes.
Nichts hätte dies besser verdeutlichen können als die betroffenen Menschen und ihre traurige Geschichte kennenzulernen. Wir sind sofort drin in der Geschichte.
Dann schwenken wir um zu Bill Hodges. Dies bedeutet erst einmal einen kleinen Bruch, bis wir die Zusammenhänge verstehen.
So deutlich wird seine Verzweiflung beschrieben, dass wir wirklich denken, er würde seinem Leben ein Ende setzen, doch als die Wende mit dem Brief kommt, atmen wir auf.
Denn nun wird es spannnend. Der Leser erwartet, dass ich der pensionierte Polizist an seine früheren Kollegen wendet, doch das tut er nicht. Er selber glaubt, er sei der Einzige, der diesen Fall lösen kann und er klammert sich an ihn, weil dieser seinem Leben Sinn gibt.
Ich persönlich war hin und hergerissen. Ich gönnte ihm seinen Fall, doch eigentlich hatte ich auch etwas gegen seine Selbstjustiz, besonders da er sich damit in sehr gefährliche Regionen wagte.
Denn der Leser vefolgt nicht nur Hodges, sondern bekommt auch ein sehr gutes Bild von unserem Täter vermittelt, der sichtlich kein geistig gesunder Mensch ist und in seinem Fanatismus nicht nur für Bill gefährlich ist.

Auch wenn ich persönlich nicht immer damit einverstanden war, was Bill tat, so waren die Rollen von Gut und Böse natürlich zu jeder Zeit klar. Man liebte Bill und hasste Mr. Mercedes und selbst wenn Mr. M etwas sehr schlimmes widerfuhr, so freute man sich über sein Unglück anstatt ihn zu bemitleiden. Ich finde dies höchst interessant und glaube, dass der Autor genau diese Wirkung erzielen möchte.
Denn ebendieses Phänomen trat auch bei der Besitzerin des Wagens auf. Weil sie den Polizisten unsympathisch war, glaubten sie an ihre Mitschuld, nie kam es ihnen in den Sinn, dass sie ihnen die Wahrheit darüber sagte, dass sie ihren Wagen verschlossen hatte und als sie sich umbrachte, dachten sie nicht eine Minute darüber nach, hatten kein Mitleid für sie, sondern dachten nur, dass dies ein Schuldeingeständnis war.
Und so ist es mit Mr. M, weil wir ihn nicht mögen aufgrund seiner Taten, kann nichts uns davon umstimmen, dass er in unseren Augen ein Monster ist, seine Taten sind so grausam für uns, dass nichts, was ihm widerfährt unser Mitleid erwecken könnte.

Die Figuren sind wie ich das von King kenne gut ausgefeilt, jeder hat seine Geschichte und damit eine gewisse Plastizität, wobei jedoch eine Figur etwas schwächer ist, obwohl sie eine doch sehr große Rolle spielt. Jerome, der Junge, der Bills Rasen mäht und der ihm später bei seiner Suche hilft. Wir erfahren zwar ein wenig über ihn, doch es geht nicht so sehr in die Tiefe wie bei den anderen Figuren. Mich wundert dies ein wenig, fällt jedoch beim Lesen gar nicht so sehr auf.

Spannung wird in diesem Buch sehr groß geschrieben, wir haben einen nerven zerreißenden Showdown, doch schon davor hängen wir an einigen Stellen gebannt an den Seiten des Buches und wagen nicht zu atmen, bis wir schließlich aufschrecken oder erleichtert ausatmen.
Und auch wenn die Spannung nach größeren Ereignissen langsam wieder abflacht, so bleibt das Gefühl der Gefahr, die Nerven sind gespannt durch die Bösartigkeit unseres Übeltäters.

Stephen King ist als Horror Autor bekannt geworden und gerade bei den neueren Büchern tritt immer wieder eine Frage auf: ist King sich treu geblieben?
Ich persönlich finde die Frage albern. Ein Autor, gerade jemand, der schon so lange schreibt, kann sich doch durchaus auch mal in anderen Genres ausprobieren und kann sicherlich auch eine andere Art von Büchern schreiben. Für mich zeichnet sich ein King Buch nicht durch die Art der Geschichte aus, sondern vor allem mit seinem Umgang mit seinen Charakteren und der Atmosphäre, die er schafft.
Für mich gehört dieses Buch nicht zur Horrorliteratur, sondern ist ein knall harter Thriller, der einem jedoch so manchen Schauer über den Rücken jagen lässt.
Wir brauchen keine fantastischen Elemente, denn die menschliche Psyche kann erschreckend genug sein.

Psychische Erkrankungen sind übrigens in diesem Buch ein großes Thema, ebenso der Umgang mit ihnen. Diese werden aus verschieden Blickwinkel beleuchtet.
Mr. M ist wahnsinnig, doch auch die Frau, die Hodges bei den Ermittlungen hilft, sagt von sich selber sie sei total verkorkst oder durchgeknallt – ein interessantes Motiv.

Ein noch größeres Thema ist die Selbstjustiz. Wird diese in dem Buch verherrlicht? Es kann von einigen so gesehen werden, für mich ist es jedoch ein klares Nein. Man schätzt zwar Bill und seine Methoden, dennoch denkt auch ständig daran, dass er sich eigentlich selbst überschätzt und das alles ein böses Ende nehmen kann.
Immer wieder erwischt man sich dabei, wie man ihn im Geiste anschreit, er solle sich endlich an die Polizei wenden, denn man glaubt nicht daran, dass er besser ist als die anderen, besonders da sie über mehr technische Hilfsmitteln verfügen. Man versteht zwar, warum er denn Fall nicht abgeben kann, doch man fürchtet die Konsequenzen, für seine Partner und die Menschen der Stadt.
Und auch am Ende beschäftigte mich die Frage, ob nicht alles besser gelaufen wäre, wenn er den Fall abgegeben hätte.
Für mich ist es daher keine Verherrlichung von Selbstjustiz, sondern eher eine kritische Auseinandersetzung, sofern man dazu bereit ist über ein Buch nachzudenken, tut man dies nicht, so kann man es durchaus in diesem Sinne wahrnehmen.

Fazit

Für mich ein sehr gelungenes Buch, das mich gefesselt hat, jedoch auch einige Fragen aufgeworfen hat.
Die Spannung wird sehr hochgehalten, wir werden unterhalten, haben des öfteren einen kalten Schauer auf dem Rücken und ich persönlich bin nur so über die Seiten gehetzt.
Längen kamen nicht auf und Schwächen habe ich keine erkannt.