Rezension

Spannend bis zum Schluss

Splitterherz - Bettina Belitz

Splitterherz
von Bettina Belitz

Bewertet mit 4.5 Sternen

Was kommt dabei heraus, wenn ein in die Richtung Urban Fantasy gehender Jugendroman nicht von Vampiren handeln soll? Splitterherz.

Die Geschichte der 17jährigen Elisabeth „Ellie“ Sturm beginnt in einem winzigen Kaff fernab jeder großstädtischen Zivilisation, mitten zwischen Wald und Feldern. Der Umzug passt Ellie überhaupt nicht in den Kram, hat sie sich doch gerade erst so richtig an das Leben in Köln angepasst. Und wie 17jährige Mädels nun einmal so sind, verschanzt sie sich in ihrem Zimmer, strebt in der Schule das Einzelgängerdasein an – bis sie Colin trifft. Nicht ahnend, dass er ein dunkles Geheimnis hat, versucht sie ihm näher zu kommen und gerät immer weiter hinein in ein Wirrwarr aus Gefühlen, Wut und Angst.

Die ganz normale und nicht aus dem Zusammenhang gerissene, reale Situation, in die Ellie zu Beginn geworfen wird, ist nur zu gut nachzuvollziehen, was Ärgernis und Einsamkeit anbetrifft. Dass die berufliche Situation des Vaters und somit die finanzielle Situation der Familie mit einem Umzug in die Nähe der neuen Arbeitsstelle gesichert ist, stört eine Jugendliche natürlich eher weniger. Das typische Verkriechen und Einsiedlerbenehmen ist sehr gut widergegeben. Dies und die nebenher auftauchenden Erklärungen der Anpassung an das vergangene Großstadtleben, welche die oberflächliche Habe Jugendlicher nur zu gut darstellt, zeigen eine starke eigene Erfahrung dieser Erlebnisse die Autorin betreffend. Tatsächlich zog Belitz von genau den selben Städten/ Orten hin und her wie Ellie und musste sich vermutlich in ihrer Jugend genauso herumschlagen wie die Protagonistin.

Nach einsamen ersten Schultagen, vorsichtigen Annäherungen an Mitschüler und durchnässten Waldspaziergängen lernt Ellie schließlich den mysteriösen Collin kennen, von dem alle nur sagen er sei so sonderbar, eine Klassenkameradin bezeichnet ihn sogar als hässlich, was Ellie allerdings überhaupt nicht unterstützen kann. Doch abgesehen von der Anziehung, die Colins Äußeres auf Ellie hat, findet sie ihn anfangs doch etwas nervig, da er sie des öfteren aus brenzligen Situationen rettet, dann allerdings sofort wieder auf Distanz geht. Diese kühle und abweisende Art ist wunderbar dargestellt, ebenso die darauf folgenden Gefühlsausbrüche Ellies. Es ist eine Wohltat, dass nicht jede Story immer den gleichen Aufbau hat: Verlieben, ein Paar werden, in Gefahr geraten, Trennen, wieder in Gefahr geraten, erneut ein Paar werden – in „Splitterherz“ lässt Colin es so gut wie gar nicht zu, dass Ellie sich ihm gefühlsmäßig nähert.

Natürlich bleibt es Ellies Eltern nicht verborgen, dass sie sich mit einem jungen Mann trifft. Ihr Vater möchte Collin kennenlernen. Ellie erwartet eine üblich peinliche Situation, doch einen Wutausbruch – damit hat sie nicht gerechnet. Es ist doch etwas merkwürdig, das Vater und Bekannter der Tochter sich gegenüberstehen, sich quasi anknurren und dann stürmisch auseinander gehen mit dem darauf folgenden Kontaktverbot zwischen Tochter und Bekanntem. Neugierig wie Ellie eben ist, findet sie bald heraus, was dieses Angeknurre sollte. Colin ist ein Nachtmahr, Ellies Vater ist ein halber Nachtmahr – und Ellie hat absolut keine Angst sondern ist eher sauer, dass sie bisher nichts davon wusste und dass ihre Eltern sie all die Jahre angelogen haben. Sie lässt sich nicht davon abhalten, Colin zu besuchen. Hier kommt die Starrsinnigkeit und Sturheit Jugendlicher sehr schön zum Vorschein. Ellie erfährt immer mehr über die Hintergründe der Nachtmahre, die hier jetzt nicht weiter erläutert werden sollen, um nicht zu viel Inhalt zu verraten. Doch so viel sei gesagt – eine deutliche Gefahr geht von ihnen aus, weshalb Colin Ellie lieber auf Abstand halten würde, was allerdings nicht funktioniert.

Nur kurz eingefügt: Sehr interessant ist die Vorstellung, dass elektrische Geräte in der Nähe von Nachtmahren außer Funktion geraten. Zudem gefällt mir, dass Colin die natürliche Angst von Tieren gegenüber Nachtmahren zu überwinden weiß. Diese Eigenschaft macht ihn trotz seiner abweisenden Art sehr sympatisch.

Bettina Belitz schafft mit „Splitterherz“ eine (für mich) neue Fantasythematik. Die Liebesgeschichte dieses Romans wird nicht bis ins brutal Kitschige aufgebauscht sondern besteht eher aus vorsichtigen Annäherungsversuchen, Abweisung und dem beständigen Nicht-Locker-Lassen eines spätpubertären Mädchens, das nicht wahrhaben will, dass der Typ, in den sie sich verliebt hat, eine große Gefahr darstellt. Hinzu kommt der Fantasypart, welcher nicht unerwartet auftaucht, dennoch nicht gleich zu erkennen ist (durch den Klappentext). Die Thematik der Nachtmahre ist sehr interessant und wird, auch in Verbindung mit Träumen und Tagträumen, verständlich erklärt. An der ein oder anderen Stelle hätte es noch etwas ausführlicher sein können, was allerdings das Verständnis des Buches nicht beeinträchtigt, sondern lediglich meiner Neugierde Güte getan hätte.

Insgesamt lässt sich also sagen, dass „Splitterherz“ eine gelungene Abwechslung in der festgefahrenen urban-Fantasy der Jugendbücher ist und bis zum Ende mit Spannung aufwartet.