Rezension

Spannend und abwechslungsreich - ein gelungener Abschluss

Chosen 2: Das Erwachen - Rena Fischer

Chosen 2: Das Erwachen
von Rena Fischer

Nach den schrecklichen Ereignissen an Silvester versucht Emma, den Tod ihres Vaters Jacob und ihres Freundes Jared zu verarbeiten. Beide sind von Aidan - dem Jungen, den sie liebt - umgebracht worden. Zumindest glaubt Emma dies. Was sie jedoch nicht weiß, ist, dass Farran ihre Erinnerungen manipuliert hat und sie dies somit nur glauben lässt. Zurück in Sensus Corvi stellt sie sich auf Farrans Seite und lässt sich dort von ihm als ihrem Mentor weiter ausbilden. Schnell merkt Emma jedoch, dass etwas nicht stimmt. Warum kann sie nicht aufhören Aidan zu lieben, obwohl dieser doch ihren Vater und Jared getötet haben soll? Und warum verspürt sie immer so einen unbändigen Hass beim Anblick ihres Mentors Farran, der sie doch immer nur zu unterstützen scheint? Emmas Gefühle und ihr Verstand scheinen auf grundverschiedenen Seiten zu stehen und wieder einmal muss Emma sich fragen, wem sie eigentlich vertrauen kann.

Band 2 schließt nahtlos an den ersten Band an und hat somit einen unvermittelten Start. Einerseits wird somit sofort Spannung erzeugt, denn nach dem fiesen Cliffhanger aus Chosen - Die Bestimmte wollte ich natürlich unbedingt wissen, wie es weitergeht. Andererseits erschwerte dies aber auch den Einstieg, da ich nicht mehr alle Geschehnisse aus dem Vorgänger im Kopf hatte. Das Personenverzeichnis am Ende des Buches half zwar, mich wieder zurechtzufinden. Es dauerte aber trotzdem ein bisschen, bis ich mich eingelesen hatte und komplett in die Geschichte eintauchen konnte, da nur sehr wenig von den vorangegangen Geschehnissen wirklich noch mal erläutert wurde. 

Erzählt wird hier aus drei Perspektiven - aus der von Emma, Jacob und Aidan. 
Durch Emma erfährt der Leser, was bei den Raben auf dem Internat Sensus Corvi vor sich geht. Denn aufgrund der manipulierten Erinnerungen steht sie wieder voll und ganz auf Farrans Seite und nimmt ihre Ausbildung mit ihm als Mentor wieder auf. Emmas Vater Jacob - der ganz offensichtlich noch unter den Lebenden weilt - ist unterdessen zu den Falken übergelaufen und plant nun zusammen mit deren Anführer Richard Montgomery Emmas Rettung. 
Aidan dagegen hat nach den Vorfällen an Silvester all seine Erinnerungen verloren und kennt nicht einmal mehr seinen eigenen Namen. Nur eines weiß er, und zwar dass er fliehen muss. Doch vor wem oder was bleibt ihm vorerst ein Rätsel. 

Die Frage, wem denn nun zu trauen ist, hat sich durch den kompletten ersten Band gezogen und für mich den größten Reiz der Geschichte ausgemacht. Und auch hier kann man nicht klar nach Gut und Böse unterteilen. Natürlich hat man sich aufgrund der Ereignisse aus Chosen - Die Bestimmte schon ein Bild gemacht, trotzdem lassen sich auch hier die zwei Seiten nicht klar in Schwarz und Weiß trennen. Zwar mögen die Falken beispielsweise das richtige Ziel verfolgen, gehen um dieses zu erreichen aber nicht immer den richtigen und moralisch korrekten Weg. Andersherum hat auch Farran seine guten Seiten und insgeheim gute Absichten, auch wenn seine Vorgehensweise ohne Frage nicht die Richtige ist. 
Da Emma ihren manipulierten Erinnerungen nicht mehr trauen kann, ist sie gezwungen, sich auf ihre Gefühle zu verlassen. Umso schwerer fällt es ihr dabei, eine Seite zu wählen, sind sie doch beide nicht von Grund auf Schlecht. Weitere Geheimnisse, die ans Licht kommen und die Geschichte somit in eine ganz andere Richtung als zuerst vermutet lenken, erschweren ihr diese Entscheidung zusätzlich. 

Durch diese Ungewissheit, die auch ich selbst beim Lesen verspürt habe, bleibt es durchgehend spannend und aufregend. 
Emma ist dabei eine tolle Protagonistin, die sich nicht alles sagen und gefallen lässt, sondern die Dinge selbst in die Hand nimmt. Mit Farrans Hilfe lernt mehr über ihre Gabe und wie sie mit ihr umzugehen hat. Gleichzeitig lernt sie auch, ihren Gefühlen zu vertrauen und sie nicht zu verdrängen. 
Allerdings war mir ihre Vorgehensweise stellenweise zu impulsiv und wenig durchdacht. Oftmals handelt sie, ohne über mögliche Folgen für sich oder ihre Mitmenschen nachzudenken. Dabei verliert sie jedoch nie ihr Ziel aus den Augen und zeigt großen Mut und eiserne Entschlossenheit.
Insgesamt lernt man die Charaktere aus Band 1 besser kennen, macht aber auch Bekanntschaft mit neuen noch unbekannten Figuren.

Vor allem Farran habe ich am Ende mit völlig neuen Augen gesehen. Da man mehr über seine Vergangenheit, Beweggründe und Wünsche herausfindet, wirkt er weniger unerreichbar und gleichzeitig auch viel verletzlicher. Vor allem das unerwartete Ende der Geschichte zeigt nochmals eine völlig neue Seite von ihm.

Der Schreibstil von Rena Fischer gefällt mir unglaublich gut. Die lebhaften Schilderungen geben dem Leser das Gefühl, selbst mitten im Geschehen zu sein. Das wird auf jeden Fall nicht das letzte Buch sein, dass ich von der Autorin lesen werde.