Rezension

Spannend und phantasievoll

Anna und das Vermächtnis der Drachen - Rina Bachmann

Anna und das Vermächtnis der Drachen
von Rina Bachmann

Bewertet mit 5 Sternen

„...Um deine Kraft zusammenzubekommen, musst du lernen, dich zu konzentrieren...Nur das, was du tun willst, das Ziel, bleibt vor Augen..."

Anna ist eine Jungmagierin. Bei ihrem Spaziergang im Toten Wald findet sie eine Drachenfigur und nimmt sie mit. Als sie zurück in ihre Hütte kommt, fordert Alphira, die Magierin, sie auf, die Figur zurückzubringen.

Die Autorin hat nicht nur ein spannendes, sondern ein überaus interessantes Buch geschrieben. Schon die Einordnung in ein bestimmtes Genre fällt schwer. Eine Portion Fantasy wurde mit einer Prise aus der Märchenwelt und einer Spur Philosophie kombiniert. Hinzu kommt, dass die Geschichte in drei Ebenen spielt. Der Realität der Menschenwelt stehen Ober- und Unterwelt gegenüber. Letztere sind wie zwei Seiten einer Medaille. Nur wenn die beiden im Gleichgewicht sind, ist das Leben in allen Sphären lebenswert.

Diese Balance aber ist gestört, seit eine neue Herrscherin das Zepter in der Hand hat. Zwar gehört ihr momentan nur die Unterwelt, doch sie träumt von mehr. Ihre Einflüsse reichen schon weit in die Oberwelt, deren einstige paradiesische Zustände in Schwefeldampf und Nebel versinken.

Im Mittelpunkt stehen Anna und Ian. Anna stammt aus der Menschenwelt, lebt aber jetzt in der Oberwelt. Sie ist stur, unbeherrscht und aufbrausend. Das klingt  zwar negativ, doch genau diese Eigenschaften braucht sie, um ihren Weg zu gehen. Daneben hat sie sich ihre Träume von einer besseren Welt bewahrt, geht beharrlich ihren Weg und steht nach Niederlagen wieder auf. Sie kann sich mit dem Zustand ihrer Welt nicht abfinden und wird aktiv, um zu retten, was noch zu retten ist. Ian stammt aus der Oberwelt und lebt jetzt in der Menschenwelt. Dort hat man alles getan, um ihn seine Vergangenheit vergessen zu lassen. Dazu gehört, dass er das realistische Denken der Menschen übernommen hat und Unbekanntes als Märchen abtut.

Das Buch lässt sich zügig lesen. Dazu tragen die sympathischen Protagonisten, die fesselnde und abwechslungsreiche Handlung und die Unmengen an Ideen bei, die das Geschehen beleben. Die Autorin hat nicht nur die Symbole der europäischen Märchenwelt, sondern auch die Bilder der östlichen Kultur geschickt in der Handlung verwoben. Bekannte Märchengestalten aber haben hier völlig neue, manchmal fast entgegengesetzte Eigenschaften.                         

Beeindruckend ist die philosophische Tiefe der Geschichte. Rückblenden in die Vergangenheit zeigen, warum die Welt so wurde, wie sie sich momentan darstellt. Dabei liegt die Schuld nicht allein bei der Herrscherin. Bequemlichkeit, das Drücken vor Entscheidungen und die unkontrollierte Aufnahme fremden Gedankenguts sind nur einige Punkte, die zur Entwicklung beigetragen haben.

Die Sprache ist abwechslungsreich. Neben Abschnitte, in denen fast poetische Bilder im Mittelpunkt stehen, befinden sich heftige Dialoge, wenn es Anna mal wieder nicht schnell genug geht. Die Autorin beherrscht das Spiel mit Metaphern und versteht es, wichtige Lebensweisheiten in kurze, prägnante Sätze zu fassen. Manche davon sollte man mehrmals lesen und in Ruhe durchdenken. Gut wiedergegeben werden die Emotionen der Protagonisten. Ungeduld und Nachdenklichkeit, Trauer und Zuneigung, Wut und Geborgenheit, Resignation des Alters und Aufbruch der Jugend sind Gegenspieler im Laufe der Handlung.

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es hat mich nicht nur ausgezeichnet unterhalten. Es enthält so viele kleine ausdrucksvolle Szenen, die eine Rezension nicht fassen kann. Gekonnt versteckt hat die Autorin aber auch die Probleme unserer Zeit. Damit ist das Buch zugleich Warnung und Wegweiser.

Ich wünsche dem zukünftigen Leser eine interessante Entdeckungsreise mit Anna und Ian.