Rezension

spannend und politisch brisant

Flucht ins Viertel - Cord Buch

Flucht ins Viertel
von Cord Buch

Bewertet mit 5 Sternen

„...Wir sind nicht dem NATO-Krieg in Libyen entflohen, um hier zu sterben...“

 

Die Geschichte beginnt mit einem kursiven Abschnitt. Menschen steigen auf ein Boot. Vorher wurde ihnen jeglicher Besitz weggenommen.

Dann wechselt die Handlung nach Hamburg. Die Journalistin Nele unterrichtet auf Bitte ihres Sohnes Cairo, der sich in der Flüchtlingshilfe engagiert, den Afrikaner Ngana in Deutsch. In der darauffolgenden Nacht wird der junge Mann gefoltert und getötet.

Der Fall landet bei Hauptkommissar Werner Jensen und seiner Partnerin Wiebke Maurer.

Der Autor hat einen fesselnden und politisch brisanten Krimi geschrieben. Die Geschichte hat mich schnell in ihren Bann gezogen, auch weil der Autor an vielen Stellen Klartext spricht, wie das obige Zitat zeigt. Die Handlung spielt kurz nach dem Sturz Gaddafis in Libyen.Damals gelangte eine Gruppe von Flüchtlinge über Lampedusa nach Hamburg und kämpfte dort um ihr Bleiberecht.

In die Ermittlungen wird Moser vom Staatsschutz mit einbezogen. Seine Voreingenommenheit gegenüber den Flüchtlingen behindert die Suche nach dem Täter mehr, als dass er sie vorwärts bringt.

Im Gegensatz zu den Kriminalisten weiß ich als Leser ziemlich früh, wo das Tatmotiv liegt, ohne allerdings am Anfang die Hintergründe der Geschichte zu durchschauen. Für Jensen und seine Leute ist es wesentlich schwieriger, den Täter zu ermitteln. Natürlich gibt es die üblichen Verdächtigen, die zum einen unter den Flüchtlingen, zum anderen im rechtsradikalen Milieu vermutet werden. Doch nichts und niemand ist konkret greifbar.

Jedes Kapitel ist auf gleiche Art aufgebaut. Zu Beginn gibt es in kursiver Schrift eine Episode zur Flucht, bevor das Geschehen dann zur Mordermittlung wechselt. Besonders treffend wurden die Kapitelüberschriften gewählt.

Der Schriftstil sorgt neben der abwechslungsreichen Handlung für einen hohen Spannungsbogen. Er steigert sich noch, als Nele und Cairo Drohbriefe erhalten. Gleichzeitig kochen in Hamburg die Emotionen über. Geschickt werden die unterschiedlichen Handlungsstränge miteinander verwoben, ohne dass die Spannung leidet. Da ist zum einen die Suche nach dem Täter, zum anderen muss Nele die Probleme in ihrem Privatleben in den Griff bekommen. Auch die finanzielle Ausstattung der Zeitung gibt Anlass zur Sorge. Ab und an kommt der Täter zu Wort und lässt mich an seinen Gedanken teilhaben. Nicht zuletzt wird das Leben der Flüchtlinge beschrieben.

„...Er wird diesen Menschen nach dem Gottesdienst seine Kirche als Obdach anbieten. Jesu hätte nicht anders gehandelt. Und auch kein andersgläubiges Volk, in dem Gastfreundschaft ein Wert und nicht ein Schimpfwort ist...“

Das sind die Worte von Pastor Gunnar Völcker. Gut wird beschrieben, dass das Zusammenleben nicht einfach ist. Toleranz und guter Wille sind auf beiden Seiten gefragt. Klar und deutlich wird an mehreren Stellen herausgearbeitet, wie es zu dem Flüchtlingsstrom kam und wo die Ursachen liegen.

Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass es für das Verständnis mancher Zusammenhänge günstig ist, den ersten Teil der Krimireihe zu kennen, da dort Neles Vergangenheit beleuchtet wird.

Das Cover mit dem Schiff am Strand zeigt eine Idylle, wo sich sonst Tragödien abspielen.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Eine fesselnde Handlung ist gekonnt mit aktuellen Problemen verknüpft worden.