Rezension

Spannend, vielfältig, prima durchdacht. Eine klare Empfehlung!

Das barmherzige Fallbeil
von Fred Vargas

Bewertet mit 5 Sternen

Spannender, toll komponierter Krimi. Prima Ideen und Figuren. Bildhafte, klare Sprache. Rätseln bis zum Ende und Überraschungen sind dabei!

Diese facettenreiche Geschichte besticht durch die Vielfalt an Themen, Figuren und Schauplätzen. Die Krimiseite wird geschickt mit der Studie menschlicher Abgründe, mit dem furchterregenden Geist auf einer isländischen Insel, den Helden und Ideen der französischen Revolution und einer Familientragödie verwoben.

Der Fall fängt mit Figuren und Ereignissen an, die nicht so sind, wie sie zunächst zu sein scheinen. Die ältere Dame, die ihren Brief unbedingt noch abschicken will, der junge  Mann, der von der Polizei erst mal auf dem Rücken seines Pferdes weggaloppiert und ein Mordmotiv zu haben scheint, die Morde, die wie Selbstmorde aussehen, etc. Aber Adamsberg lässt sich nicht von Oberflächlichkeit ablenken und ermittelt weiter.

In dieser Folge ist Adamsberg wieder so typisch er: zwischen Dingen, die scheinbar keinen Zusammenhang haben, erahnt er zunächst eine Verbindung. Er bleibt seinem Buchgefühl treu, egal, was die anderen sagen und recherchiert schließlich in Island auf eigene Kosten weiter, als die offizielle polizeiliche Ermittlung nicht mehr möglich ist.

Sein Kollege Danglard ist auch diesmal eine wandelnde Enzyklopädie. Und wie so oft unterliegt er Adamsberg, der zwar nicht so viel weiß, dafür aber über eine feine Intuition verfügt, besser kombinieren kann und hartnäckig bei seiner Meinung bis zur Lösung des Falls bleibt.  Da kann man sehen, dass die Autorin ihre Leser nicht nur über den Fall miträtseln lässt, sie hat auch in den Figuren – nicht nur bei Adamsberg und Danglard - ihre Botschaften versteckt, die man zusätzlich entdecken kann, wenn man sich darauf einlässt. Geschickt fand ich, dass auch die Tiere ihre Rolle spielten. Zum Kater aus früheren Folgen, der auf dem Polizeirevier lebt und sich gern füttern lässt, kam der Wildschwein Marc hinzu, der der beste „Freund“ der Haushälterin ihres ermordeten Dienstherren ist, sich auf seinem Anwesen herumtreibt und diese Geschichte auch mitträgt.

Die Geschichte wird nach und nach vor Augen der Leser freigelegt. Die Ermittlungen führen zu einer skurrilen Gesellschaft, die die Reden der Führer der Französischen Revolution wie Maximilien Robespierre nachinszeniert: Die Sitzungen werden originalgetreu nachgesprochen, i.e. die Redner stehen auf der Bühne und sinnieren – Wort für Wort genau über die Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Demokratie, etc. nach. Bei vielen Teilnehmern handelt es sich über Nachkommen der damaligen Helden. Spannend ist, dass sie auch heute ungefähr das tun, was ihre Großgroßväter damals getan haben. Es gibt noch mehr Dinge, die einen über einige Themen zum Nachdenken verleiten. Also der philosophische Part der Geschichte ist ebenso gelungen wie der Kriminalistische. Und zum Schluss kommt auch das Mystische bestens zur Geltung.

Und wie in jedem Krimi, der in Frankreich spielt, gibt es kulinarische Köstlichkeiten, die Adamsberg &Co. genießen, es wird ordentlich Wein getrunken und am Fall geknabbert.

Die Sprache ist ausdrucksstark, klar, bildhaft. Man fühlt sich sogleich ins Geschehen versetzt. Auch die unverbrauchten Metaphern tragen zum Lesegenuss bei.

Ich habe diese Folge als Hörbuch genossen und muss sagen: Hannelore Hoger hat wunderbar gelesen. Mit ihrer Stimme hat sie der Geschichte einen besonderen Charakter verliehen und das Ganze als Hörerlebnis prima zur Geltung gebracht. Ihre Darbietung an sich, zusammen mit dem Fall bleibt mir in Erinnerung.

Der einzige Wermutstropfen: ich fand es schade, dass das Hörbuch eine gekürzte Ausgabe darstellt. Ungekürzt fände ich es besser.

Fazit: Es ist ein spannender, meisterhaft komponierter, perfekt durchdachter Krimi, der einen bis zum Ende miträtseln lässt und mit einigen Überraschungen aufwartet.