Rezension

Spannende Fortsetzung

Die Geschichte eines neuen Namens - Elena Ferrante

Die Geschichte eines neuen Namens
von Elena Ferrante

Bewertet mit 4 Sternen

Der zweite Band der Neapel-Geschichte von Elena Ferrante ist mal wieder unbedingt lesenswert. Man sollte allerdings "Meine geniale Freundin" zuerst lesen!

Lila hat mit 16 Jahren geheiratet und die Ehe mit Stefano ist von Anfang an nicht glücklich. Ihr Mann schlägt sie, weil sie bockig ist und als sie endlich schwanger wird, verliert sie das Kind nach einigen Wochen. Elena geht weiter zur Schule und verliebt sich heftig in Nino, den Sohn des Dichters.

Als Lila "zur Kräftigung" nach Ischia ans Meer geschickt wird, fährt Elena mit, weil sie hofft sich dort mit Nino treffen zu können. Doch statt sich mit Elena zu beschäftigen verliebt sich Nino in Lila und sie beginnen eine Affäre, Lila wird schwanger und bringt einen Jungen, Rino, zur Welt. Nach heftigen Streiterein mit Stefano und der Entdeckung, dass dieser schon lange eine Geliegte hat, verlässt Lila mit dem Kind ihren Mann, doch auch mit Nino wird sie nicht glücklich.

Elena dagegen macht das Abitur und bekommt ein Stipendium für ein Studium in Pisa, wo sie Studenten aus den "besseren Kreisen" kennenlernt und in einer ganz anderen Welt lebt als Lila, die beiden haben sich nichts mehr zu sagen. Erst später nähern sie sich wieder an, als Lila unter schrecklichen Bedingungen in einer Fleischfabrik arbeitet und Elena ihr erstes Buch herausbringen kann. Doch die frühere Vertrautheit stellt sich nicht wieder ein.

Das Buch ist wie schon der erste Band in einer sehr schönen, manchmal poetischen, manchmal harten Sprache geschrieben und liest sich sehr gut.

Man fragt sich als Leser immer wieder, was aus Lila hätte werden können, wenn sie mit ihrer hohen Intelligenz mehr gefördert worden wäre und die Chance bekommen hätte sich weiter zu entwickeln. Statt dessen ist sie permanent unterfordert, aber sie hat auch nicht die Willensstärke sich konstruktiv gegen ihr Leben aufzulehnen. Sie wird aggressiv gegenüber ihrer Umwelt, doch sie findet nicht den Weg aus dem Schlamassel, statt dessen gerät sie immer tiefer in Schwierigkeiten. Ihre halbherzigen Versuche zu lernen, zu lesen und sich fortzubilden versickern im Alltag. Sie ist neidisch auf Elena, die die Möglichkeit zu mehr Bildung und dem Weg aus dem Rione bekommt, aber ihr fehlt die innere Stärke diesen Weg mitzugehen. Das finde ich sehr realistisch, aber auch sehr traurig. So viel verpasste Chancen und vergeudete Talente!

Elena dagegen geht ihren Weg, doch es mangelt ihr an Selbstbewusstsein. Gegenüber den Familien ihrer Freunde fühlt sie sich unsicher und ihre Leistungen tut sie als pures Glück ab, statt stolz auf sie zu sein.

Am Beispiel dieser beiden jungen Frauen zeigt sich das ganze Elend der Frauen noch in den 1960er und frühen 1970er Jahren. Frauen hatten in erster Linie für die Familie da zu sein, Ambitionen wurden als Spinnerei abgetan, die Mädchen "heiraten ja doch", da ist Bildung eine Fehlinvestition. Welch ein Potential wurde damit verschwendet!

Ich halte das Buch für ein hoch politisches Buch, man sollte sich auf den dritten Band freuen!