Rezension

Spannende Mischung aus skurpellosen Machenschaften und der ungewöhnlichen Gefühlswelt einer Experimentalphysikerin

Der Susan-Effekt
von Peter Hoeg

Bewertet mit 4 Sternen

Ein Effekt, welcher Susans Leben bestimmt. Ein Effekt, der dieses Leben retten kann. Peter Hoeg skizziert in seinem Roman das Leben einer dreiundvierzigjärhigen Experimentalphysikern, welches alles andere als ruhig ist. Der Einstieg in den Roman ist ziemlich direkt und einwenig undurchsichtig. Man versucht zunächst einmal herauszufinden, in welcher Lage sich Susan überhaupt befindet. Nach einigen Kapiteln entwickelt sich eine Eigendynamik, welche dem Leser ermöglicht einen guten Überblick über das Geschehen zu erlangen. Als Experimentalphysikerin ist Susans Charakter eher ein sehr sachlicher, aber keineswegs ein gefühlskalter. Man merkt deutlich, dass sie ihre Schwierigkeiten hat ihre Gefühle gekonnt offenzulegen. Dies wird ihr sichtlich zunehmend von dem "Susan Effekt" erschwert. So bewegt sich ihre Wahrnehmung und Erzählweise in sehr physikalischen Zügen. Als Laie dieses Gebiets muss man den ein oder anderen Satz vielleicht zweimal lesen, um den genauen Sinn für die Handlung in Einklang bringen zu können. Die Fachausdrücke hindern den Leser aber nicht daran, die Geschichte "genießen" zu können. Das Buch ist komplett aus Susans Sicht geschildert, sodass man sich nach und nach immer besser in die Gefühlswelt von Susan hineinfinden kann. Ich denke, dies ist ein klarer Vorteil, da eine wechselnde Perspektive deutlich "aufwirbelnder" wirken würde und man den "Effekt" nicht in vollem Ausmaß erkennen würde.

Den Charakteren gegnüber stand ich zunächst etwas skeptisch gegenüber. Sie schienen mir etwas zu "professionell". So stellte sich auch mir die Frage: "Mag ich Susan oder nicht? Wie stehe ich zu der gesamten Familienkonstellation?". Mir wurde klar, ja ich mochte sie, auch wenn ich sie in vielen Situationen nicht verstehen konnte, was aber eventuell auf den "Effekt" zurückzuführen ist, unter dem sie offensichtlich leidet. Ihre Liebe zu ihren Kindern hat mich hingegen von ihr überzeugt. Denn diese will sie um jeden Preis beschützen. Es ist definitiv eine sehr außergewöhnliche Atmophäre, die bei Susan, ihrem Mann und den Kindern herrscht. Obwohl ihre Zwillinge schon oder erst in der Pubertät sind, verhalten sie sich, als wären sie die Erwachsenen. Sie sind gescheit, übernehmen öfters das Ruder zu Hause und lassen sich kaum etwas vorschreiben. Dabei sind sie aber keineswegs Rebellen, die den Hausfrieden stören. Im Gegensatz zu Susan und Laban. Ihre Bezihung zueinander wird stark diskutiert, sodass die Geschichte neben der Spannungsgeschichte, rund um einen Kriminalfall, auch die Familiengeschichte näher beleuchtet wird und es so zu zwei Hauptmerkmalen der Geschichte kommt. Der Entwicklung und dem Schicksal der Familie und dem genannten Auftrag, den Susan auszuführen hat.

Ihr Auftrag entwickelt sich nach und nach zu einem spannenden Krimi, welcher eine wohl ziemlich realistische Weltansicht offenbart. Es geht um Macht, Kontrolle, die Entmachtung der kleinen Leute und Korruption. Alles verläuft zu einem Showdown, welcher meiner Meinung nach vielleicht nicht ganz realistisch war, er aber dennoch mit der Persönlichkeit und den speziellen "Effekten", die Susan ausmachen in Einklang bringen. Das einzige Manko, was mich etwas an der Geschichte gestört hat, war die verteilung verschiedener, kleiner Offenbarungen, die den Fall nach vorne gebracht haben. Stück für Stück gab es neue Einzelheiten, die ans Licht kamen. Leider waren sie mir manchmal zu verstreut und nicht ganz harmonisch miteinander verbunden. Susan versuchte des öfteren die Zusammenhänge zu wiederholen, damit der Leser einen kleinen Überblick hatte, was alles aufgedeckt wurde, dennoch fand ich dies nicht ganz so gelungen. Ich hätte mir eine wirkliche Klimax gewünscht, an der alles zusammenläuft und man nicht ständig alle kleinen Teile wiederholt haben müsste. Dennoch ist die Geschichte sehr gelungen und lesenswert. Die behandelt wichtige Themen der politischen, wie auch wirtschaftlichen Lage und verweist auf mögliche Gefahren, die einmal eintreffen könnten, wenn die Menschen ihre Gier nicht unter kontrolle halten.

Insgesamt: Peter Hoeg schafft es mit einem interessanten und schönen Schreibstil die Wirkung von Susan einzufangen und das Buch wie einen Kreis zu schließen, indem er gekonnt den Anfang mit dem Ende verbindet. Es tauchen Themen auf, wie Kontrolle, Macht, Korruption, aber auch Themen, die veranschaulichen wollen, dass auch sehr wissenschaftlich denkende Menschen einen Halt brauchen, der nicht in irgendwelchen Formeln zu finden ist.