Rezension

Spannende SciFi-Story, anstrengende Charaktere

The Cage - Entführt - Megan Shepherd

The Cage - Entführt
von Megan Shepherd

Bewertet mit 3 Sternen

Wie bewertet man eine Geschichte, die mit einem faszinierenden Fictionplot daherkommt, fesselnd geschrieben ist, zu überraschen weiß, deren Protagonisten bisweilen aber so sehr stören, dass man ihnen alle paar Seiten kräftig mit der Hand durchs Gesicht wedeln möchte? „The Cage – Entführt“ von Megan Shepherd ist eines jener Bücher, die mich zwiegespalten zurücklassen. Die folgende Rezension mag Euch daher etwas wankelmütig erscheinen, was sie auch ist. Wie es dazu kommt, möchte ich Euch gerne erklären.

„The Cage - Entführt“ gehört im Grunde genau zu der Art Lektüre, die mich wie ferngesteuert anzieht, weil ich seit „Die Tribute von Panem“ eine Leidenschaft für Szenarien habe, die Protagonisten abverlangen, sich aus einer bestimmten Lage zu befreien. „The Cage“ hörte sich in dieser Hinsicht vielversprechend an: Als die 16-jährige Cora aus der Bewusstlosigkeit erwacht, befindet sie sich nicht mehr auf dem Weg in den Skiurlaub, sondern in einer weitläufigen Wüste, die ihr seltsam unwirklich vorkommt. Etwas stimmt nicht mit diesem Ort – Distanzen, Landschaft und Klima wirken zugleich echt und künstlich. Als Cora ihre Umgebung erforscht, trifft sie auf weitere Jugendliche: Lucky, zu dem sie schnell einen Draht hat, den einschüchternden Leon, den intelligenten Sonderling Rolf und die asiatische Beauty Nok. Gemeinsam machen sie eine erschütternde Entdeckung.

Ausnahmsweise muss ich – um meine Eindrücke zu verdeutlichen – in meiner Kritik ein paar Ereignisse vorwegnehmen, was Euch hoffentlich nicht die Vorfreude auf das Buch verdirbt, sofern Ihr entschlossen seid, es zu lesen. Vorsichtshalber an dieser Stelle mal ein großgedrucktes: SPOILER! Welches Geheimnis hinter der seltsamen Welt steckt, in der Cora und ihre kleine Gruppe gefangen sind, lässt sich aber im Grunde aus dem Klappentext erschließen. Sie wurden von Außerirdischen entführt und in ein Gehege gesteckt – zur Belustigung der hoch entwickelten Aliens, die in den Menschen eine possierliche, niedere Existenzform sehen. „Planet der Affen“ lässt grüßen. Cora und ihre Mitgefangenen werden „gehalten“ wie Tiere in einem Zoo. Sie haben dabei zwar einige Annehmlichkeiten, müssen aber gewisse Regeln befolgen. Wenigstens eine dieser Regeln greift jedoch massiv in das Selbstbestimmungsrecht ein.

Was habe ich also erwartet? Dass sich die Gruppe zusammenrauft und nach einem Fluchtweg sucht. Was ist tatsächlich passiert? Die Gruppe misstraut sich von der ersten Begegnung an und die meisten Charaktere verharren in einer für mich schwer akzeptablen Passivität.
Nun kann ich mir durchaus vorstellen, dass Menschen, die sich nicht kennen, sich auch nicht über den Weg trauen und in Extremsituationen gegeneinander arbeiten. Die Art und Weise, in der die Figuren hier jedoch stur und trotzig Vorurteile aufbauen, konnte ich selten nachvollziehen und damit auch viele Handlungselemente und Dialoge nicht. Vieles davon hat mich regelrecht geärgert. Vor allem über Rolf und Nok musste ich mehrfach heftig den Kopf schütteln.
Ein Beispiel: Die Aliens versorgen ihre menschlichen Haustiere mit Nahrung. Im Laufe der Geschichte verschwindet immer mal wieder das Essen der Protagonisten, nur Coras Essen nicht; das steht brav auf seinem Tablett. Rolf und Nok sind sich sofort sicher, dass Cora das Essen der anderen gestohlen hat, um Zwietracht zu säen. Ausdauernd behaupten sie Kapitel für Kapitel, Cora würde ihnen das Essen wegnehmen. Diese Annahme ist aus mehreren Gründen völlig unplausibel. 1. hat Cora keinen Grund Essen zu klauen und die Situation somit für alle zu verschlimmern, 2. wäre es dämlich, das eigene Essen dann auch noch stehen zu lassen und damit die anderen gegen sich selbst aufzubringen und 3. ist Cora ab einem bestimmten Zeitpunkt gar nicht mehr an Ort und Stelle und kann ergo unmöglich der Dieb sein.
Kurios? Ja. Leider nicht nur einmal.

Ich habe herumgerätselt, was mir an der Geschichte insgesamt fehlt und es ist wohl der Bogen von einem bestimmten Auslöser zu einer Annahme, hin zu einer Äußerung, der nicht gut herausgearbeitet ist. Die Charaktere stellen teilweise aus dem Nichts heraus Thesen auf oder lassen sich Hals über Kopf zu bestimmten Taten hinreißen, was wirklich schwer nachvollziehbar war. Nun würde ich gerne meckern, dass es sich hier mal wieder um die Art unlogisches Verhalten handelt, das ich an Büchern des Öfteren bemängele. Leider nimmt mir die Autorin ab einem bestimmten Zeitpunkt mit einer schlüssigen (aber lapidar eingeworfenen) Erklärung den Wind aus den Segeln.
Nicht nur das: Gerade wollte ich Rolf und Nok noch mit einem Tablett voll Essen in die Wüste jagen, da öffnet sich mit einem kleinen Perspektivschlenker ein Spalt zu meinem Herzen für die Figuren, sodass ich letztlich nicht weiß, was ich von ihnen halten soll. Dies alles ändert jedoch nichts daran, dass ich viele Passagen schlichtweg nicht gerne gelesen habe.

Dazwischen gab es nun aber viele Szenen, die wirklich spannend waren. Auch der flüssige Schreibstil von Megan Shepherd hat mich über einige Ärgernisse hinweggetröstet. Erzählt wird in der dritten Person. Die meisten Kapitel sind Cora gewidmet, die sich engagiert auf die Suche nach einem Ausweg macht, Dinge in Frage stellt und ihre grauen Zellen bemüht. Cora war für mich damit der einzig wirklich zugängliche Charakter. Zwar nehmen einige Kapitel die übrigen Figuren näher in Augenschein, sodass man in Ansätzen verstehen kann, warum diese bestimmte Überzeugungen vertreten, doch insgesamt waren mir die Gefühle der Gruppe zu oberflächlich herausgearbeitet und die Interaktion zwischen Cora und ihren Mitgefangenen mitunter paradox.

Der Auftakt zu dieser Trilogie deutet eine kleine Liebesgeschichte an, die sich einerseits erwartungsgemäß entwickelt, den Leser aber dennoch angenehm in Zweifel stürzt. Ich könnte mir vorstellen, dass Amors Pfeil im zweiten Buch etwas tiefer bohrt. Und ja, dabei wäre ich grundsätzlich gerne dabei. Ich möchte wirklich wissen, wie die Geschichte weitergeht und letztlich endet. Allerdings nur, wenn mir die Autorin einige Ereignisse in den nächsten Bänden etwas besser verkaufen kann.