Rezension

Spannender Ansatz, in der Umsetzung jedoch noch nicht ausgereift

Die Akte Zodiac 4 - Linus Geschke

Die Akte Zodiac 4
von Linus Geschke

Bewertet mit 3 Sternen

Hinweis: Bei diesem Buch handelt es sich um einen Vierteiler, wobei ich in dieser Rezension alle vier Folgen zusammen bespreche.

Inhalt

Ein Liebespaar wird auf einem Parkplatz ermordet; die Polizei tappt auch nach Tagen noch im Dunkeln. Dann klinkt sich Fallanalytiker Marco Brock in die Ermittlungen ein und hat eine vielversprechende Theorie:
Die Tat könnte mit einem anderen Doppelmord zusammenhängen und beide ähneln auf verblüffende Weise einem alten, über 40 Jahre alten Fall. Und wenn Brocks Theorie stimmt, werden noch mehr Menschen sterben.

Meinung

Wer mich kennt, kennt auch meine vielleicht etwas morbide Faszination für Serienkiller, insbesondere ihre Psyche, die ich mit einigen der Figuren dieses Thrillers teile.
Daher war ich schon von der Inhaltsangabe der "Akte Zodiac" angefixt, als mir der Verlag die vierteilige eBook-Reihe als Rezensionsexemplar anbot. Der Fall eines Täters, der die Morde eines der bekanntesten Serienkiller nachstellt, klang vielversprechend.
Leider wurden meine Erwartungen nur zu einem kleinen Teil erfüllt.

Anfangs hatte ich große Schwierigkeiten, mich an Linus Geschkes Schreibstil zu gewöhnen. Teilweise wirkte er etwas plump und abgehackt, teilweise störte ich mich an Beschreibungen, die meiner Meinung nach unpassend und für die entsprechende Szene unnötig waren. Zum Beispiel war es mir völlig egal, welche Kleidung die Opfer zur Tatzeit trugen, da dies weder für die Ermittlungen relevant war noch etwas über die Personen aussagte. Auch die Beschreibung, wie sich nach dem Tod die Blase einer Person unkontrolliert entleert, kam mir bei einem sonst recht knapp beschriebenen Mord sehr fehl am Platz vor.
Hinzu kommen einige Fehler bei der Zusammenschreibung, die man mit der einfachen Faustregel "Was man zusammen spricht, schreibt man meist auch zusammen", hätte verhindern können.
Meine Probleme mit dem Schreibstil legten sich mit zunehmender Spannung jedoch, sodass ich sie am Ende ganz vergessen hatte.

Durch verschiedene Perspektiven wird in dem Buch gekonnt Spannung aufgebaut. Einerseits erfahren die Leser*innen, was die Ermittler tun, denn die meisten Szenen sind aus der Sicht der Polizistin Eva Lendt und des Fallanalytikers Marco Brock geschrieben. Dazu kommt ab und an noch eine Gruppe Jugendlicher, die sich sehr mit Serienkillern auskennen und sich bei ihren Recherchen auf dünnes Eis bewegen, und natürlich der Täter, aus dessen Sicht man auch einige Situationen beschrieben bekommt, sodass man oft mehr weiß als die Ermittelnden.
Gerade gegen Ende wird das Buch dadurch extrem packend, weil man auch als Leser*in teilweise im Dunkeln gelassen wird und nur Bruchstücke zugeworfen bekommt, von denen man sich wünschen würde, die Figuren würden sie endlich miteinander teilen und endlich auf die Lösung kommen.

Außerdem werden zwischendurch noch sehr detailliert und gut recherchierte Passagen eingestreut, die die Morde des echten Zodiac-Killers, des Vorbilds des jetzigen Mörders, beschreiben und anhand derer die Ermittelnden versuchen, Parallelen zu den aktuellen Morden zu finden und die Motivation beider Täter zu ergründen.
Dieses Puzzlespiel und die vielen Informationen über das noch immer ungelöste Geheimnis des echten Zodiacs sind mindestens genauso interessant wie die eigentliche Geschichte.

Die Auflösung nach dem spannenden Showdown konnte mich zum Teil dann wirklich überraschen, auch wenn ich andere Elemente der Handlung vorhergesehen hatte. Linus Geschke hat hier gegen geschickt falsche Fährten gelegt, sodass ich mit der wahren Identität des Killers absolut nicht gerechnet hätte.
Andere Aspekte des Endes stießen mir jedoch sauer auf, nicht zuletzt die letzte große Aktion der Ermittelnden, die mehr an eine actionreiche Krimiserie erinnerte als an etwas, was so in der Realität ablaufen würde.

Auch hat der Autor schon lange vorher eine falsche Fährte gelegt, die viel zu offensichtlich war, als dass man darauf reinfallen könnte, und die generell zu einem Handlungsteil gehörte, den ich nicht wirklich interessant fand.
Generell werden immer wieder Szenen eingestreut, die betont dramatisch beschrieben werden, um den Leser wohl mit den Figuren zittern zu lassen, die dann aber entweder gar nicht mehr erwähnt werden oder sich als viel harmloser und langweiliger herausstellen, als sie anfangs präsentiert wurden.

Das ist allgemein in meinen Augen ein großes Problem des Buches. Die Passagen über die Ermittlungen in der Gegenwart und die Parallelen Fälle aus der Vergangenheit sind äußerst spannend. Doch hinzu kommen leider private Problemchen der Ermittler, die für mich leider überhaupt nichts zu deren Person beitrugen, und große Abschnitte über die serienkillerbegeisterten Jugendlichen, die ich persönlich für die Handlung absolut nicht gebraucht hätte, vor allem nicht das "Liebesdrama", das dort eine Rolle spielt.

Am meisten habe ich mich aber an den Figuren gestört und das konnte leider auch das spannende Ende nicht mehr wettmachen.
Die wohl vielschichtigste Figur neben dem Killer selbst ist Brock, der als absolutes Ekelpaket eingeführt wird. Er ist extrem von sich selbst überzeugt, legt dauernd eine Frau nach der anderen flach, ohne sich um deren Gefühle zu kümmern, und versteht partout nicht, wie Eva einen solchen Kotzbrocken nicht mögen kann. Besonders letzteres spricht für mich doch sehr dafür, dass der ach so talentierte Psychologe selbst eine Persönlichkeitsstörung hat. Das allein wäre ja noch gar nicht so unrealistisch, doch dann hat Brock auch noch eine dramatische Vergangenheit, die seinen ekelhaften Charakter erklären soll, und die war mir dann doch zu viel des Guten, insbesondere, wie sie im Verlauf der Geschichte immer wieder auf absurde Weise aufgegriffen wird.
Eva und ihr Kollege Oliver dagegen sind einfach nur langweilig. Eva erzählt große Teile der Geschichte und trotzdem lernt man sie kaum richtig kennen, außer vielleicht die Tatsache, dass sie lange keine Beziehung mehr hatte und sich nach einem Mann sehnt, was neben den Ermittlungen den Großteil ihrer Gedanken einzunehmen scheint.

Generell gibt es scheinbar kaum eine Figur in diesem Buch, die nicht die ganze Zeit Sex im Kopf hat. In jeder noch so unpassenden Situation bekommt man zu lesen, dass die Person jetzt gerne Sex hätte, dass die Person lange keinen Sex mehr hatte oder dass sie hofft, dass sie bald Sex haben werde. Selbst, wenn echte, liebevolle Gefühle beschrieben werden sollen, geht es meistens darum, dass eine Person wunderschön sei oder jemand sich vorstellt, die andere Person läge nackt neben ihm im Bett. Besonders die wenigen Frauen werden auf ihr Aussehen und ihr Verhältnis zu Männern reduziert.
Sex dominiert die Gedanken von Ermittelnden, Opfern, den Nebenfiguren und dem Täter, während wirkliche, romantische Gefühle so gut wie gar nicht beschrieben werden, selbst wenn davon die Rede ist.

Für einen Thriller, in dem Serienmörder per Profiling systematisch analysiert und charakterisiert werden, ist der Täter in diesem Buch ebenfalls enttäuschend wirr dargestellt, sowohl was Motive als auch was die Tatausführungen betrifft. Und das, obwohl - oder gerade weil - wir einige Absätze aus seiner Sicht zu lesen bekommen.
Mal sieht er sich als moralischen Helden, als Verteidiger der Sitten, der es "den ganzen Schlampen" zeigen will. Das ist zwar auch eines der Motive, die man dem echten Zodiac zuschreiben könnte, erklärt aber einiges an seinem Verhalten nicht; vor allem, wieso er sich so auf den Zodiac fixiert, dessen Motivation nie ergründet wurde, statt als "eigenständiger" Serienmörder "ein Zeichen zu setzen".
Andere Male wird mehrfach seine Bewunderung für den Zodiac-Killer betont, sowie sein Wunsch, so wie dieser zu sein. Dabei stellte sich mir wiederum die Frage, warum genau er wie jemand sein möchte, dessen Identität und Motivation nie aufgeklärt wurde. Der Grund für seine Fixierung wird nie wirklich erklärt.

Zudem werfen seine Kopien der Zodiac-Taten einige Fragen auf: Die Ermittlungen ergeben, dass große Parallelen sowohl zwischen den Tatorten als auch den Opfern des "alten" und des "neuen" Zodiac-Killers bestehen. Während es beim Zodiac-Killer jedoch möglich war, dass er seine Opfer beobachtete und ihnen dann an an zufällig einander ähnelnde Orte folgte, an denen sie allein waren, stellt sich bei dem Copycat Killer, um den es in diesem Buch geht, die Frage, wie er es bitte geschafft haben soll, zufälligerweise auch noch in halbwegs ähnlichen Zeiträumen ähnliche Opfer zu finden, die sich dann auch noch an ähnliche Tatorte begaben. Zufälligerweise passen beide Aspekte bei seinen Morden, was mir doch sehr unrealistisch erschien, im Buch aber niemanden zu wundern schien.
Teilweise wirkte es, als hätte der Autor hier verzweifelt versucht, Parallelen zu den Zodiac-Morden herzustellen, ohne sich Gedanken darüber zu machen, wie es dazu überhaupt kommen konnte und ob das überhaupt realistisch wäre.

Eine weitere Sache idt mir bezüglich der Figuren aufgefallen, auch wenn ich sie nicht direkt als Kritikpunkt anbringen kann:
Von über 20 Namen, die in diesem Buch erwähnt werden, klingen alle extrem urdeutsch. Und genau das fand ich ehrlich gesagt seltsam: "Die Akte Zodiac" spielt in Köln, einer Großstadt. Ich wohne selbst in einer solchen Großstadt und habe dort und auch sonst irgendwo noch nie eine größere Personengruppe gefunden, in der ausnahmslos jede*r einen deutschen Nachnamen hat. Laut Wikipedia haben in Köln ebenfalls 36,8% der Einwohner*innen Migrationshintergrund. Selbst, wenn man argumentiert, dass Serientäter sich meist Opfer aus der gleichen sozialen Schicht suchen, gibt es auch unter Weißen noch genug Menschen mit beispielsweise russischen oder polnischen Namen. Und das kann man als Täter schließlich nicht jedem einfach so ansehen, mal abgesehen davon, dass es für seine Motivation unerheblich wäre, welche Nationalität seine Opfer haben.
Auch unter den Beamten, Bekannten der Beamten und unter den Jugendlichen, die ebenfalls erwähnt werden, gibt es ausnahmslos deutsche Namen. Da hätte ich mir ein bisschen mehr Diversität gewünscht, die eher der heutigen Realität in deutschen Großstädten entspricht (unerheblich, ob man das nun befürwortet oder nicht).

Eine Frage stellt sich mir schließlich noch: Wieso genau musste man dieses Buch in vier Teile aufteilen, die man ohnehin nicht unabhängig von einander lesen kann?

Fazit

"Die Akte Zodiac" beeindruckt durch einen faszinierenden Ansatz und sehr gut Recherchen zu den Morden des berühmten Zodiac-Killers, einem echten Serienmörder. Das Buch ist durch verschiedene, gut zusammengesetzte Perspektiven bis zum Schluss sehr spannend und die Auflösung überraschend.
Leider ziehen sich auch für die Geschichte meiner Meinung nach nicht notwendige Handlungsstränge durch das Buch, es gibt immer wieder in meinen Augen überflüssige und zu detailliert beschriebene Szenen und die Figuren bleiben alle sehr blass und scheinen nichts als Sex im Kopf zu haben. Insbesondere die Motivation des Täters konnte mich nicht überzeugen.
Daher kann ich nur sehr knappe 3 Sterne vergeben.