Rezension

Spionagethriller voll Witz und Ironie

Das Vermächtnis der Spione - John Le Carré

Das Vermächtnis der Spione
von John Le Carré

Bewertet mit 4 Sternen

Nostalgisch und doch hochaktuell ist der gestern im Ullstein-Verlag erschienene Spionagethriller "Das Vermächtnis der Spione" des britischen Bestseller-Autors John le Carré, Band 9 seiner bekannten Reihe um den britischen Auslandsgeheimdienstchef George Smiley. Vielleicht ist dieser Roman das schriftstellerische Vermächtnis des heute 86-jährigen Autors, der seine Weltkarriere 1965 mit "Der Spion, der aus der Kälte kam" begründete. Genau diesen noch im selben Jahr mit Richard Burton verfilmten Bestseller sollte man nämlich kennen, da der neue Thriller sich eng auf ihn und die damaligen Akteure bezieht. Denn auch jetzt geht es noch einmal um die Vorfälle um 1960 in den "kältesten Jahren des Kalten Krieges", in denen Spione aus Ost und West nach eigenen, oft ungeschriebenen und nicht immer legalen Mitteln gegeneinander kämpften, wobei nach damaligem Verständnis auch Tote in Kauf genommen werden mussten. Aber auch hochaktuell ist Carrés "Vermächtnis", da eben dieser alte Vorgang "Wildfall" nun vom heutigen, parlamentarisch streng kontrollierten MI6 aufgeklärt werden soll, dem nach einer Klage von Kindern der damals an der Berliner Mauer erschossenen Spione die Prüfung durch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss, die Justiz mit heutigem Rechtsverständnis oder gar sensationsgierige Medien drohen. Da der MI6 den einstigen Chef George Smiley nicht finden kann, nimmt man sich dessen längst pensionierten Mitarbeiter Peter Guilliam vor, der seit Jahren friedlich "mit gackernden Hühnern und muhenden Kühen" auf seinem bretonischen Bauernhof lebt. Neben Spannung lebt der Spionagethriller eben auch von Witz und Ironie. So sind doch die alten "Schlapphüte" trotz ihres Alters noch immer kampferfahren, den juristisch geschulten Youngsters im heutigen MI6 fachlich überlegen und lassen sie einfach auflaufen. "Das Vermächtnis der Spione" zeigt im zeitlichen Vergleich beider Handlungsstränge den krassen Unterschied zwischen damaliger und jetziger Geheimdienstarbeit, die heute längst nicht mehr so geheim ist, da sie ständiger Kontrolle von außen unterliegt. Wer die früheren Smiley-Romane Carrés und vor allem seinen "kalten Spion" nicht kennt, mag beim Lesen dieses neuen Romans vielleicht Verständnisprobleme bekommen. Für Kenner der Materie ist das Buch aber unbedingt EMPFEHLENSWERT.