Rezension

Spione in Cambridge: gestern und heute

Cambridge 5 - Zeit der Verräter - Hannah Coler

Cambridge 5 - Zeit der Verräter
von Hannah Coler

Bewertet mit 5 Sternen

"Universitäten sind bis heute Ziel für Geheimdienste aller Couleur, aber Cambridge hat dabei immer eine besondere Rolle gespielt"
So wird im Klappentext die Autorin Hannah Coler zitiert und besser kann man den Roman nicht in einem Satz zusammenfassen!
Genau darum geht es in der Geschichte - um Spionage damals und heute in einer altehrwürdigen englischen Universitätsstadt, die gleichzeitig auf eine lange Tradition als Brutstätte von Geheimagenten zurückblickt.
Und so verläuft die Handlung des Romans auch auf unterschiedlichen Zeitebenen. Er beginnt in der Gegenwart und zentriert sich dort auf den charismatischen, doch zynischen Geschichtsprofessor Hunt, der sich vom Revolutionär und Gegner des Establishments in den frühen 70er Jahren zum, wenn auch widerwilligen, Mitglied eben dieses Establishments entwickelt hat. Ein, wie unzählige Beispiele nicht nur in Großbritannien belegen, ganz und gar nicht untypischer Werdegang!
Die zweite Handlungsebene wird durch die junge deutsche Doktorantin Wera geschaffen, deren Dissertation von Hunt persönlich betreut wird. Wera hat sich vorgenommen, über Kim Philby zu promovieren, einen der fünf Spione, die zusammen als "Cambridge 5" bezeichnet werden, und der der wohl bekannteste, schillerndste, ruchloseste Spion war, den England je hervorgebracht hat. Gleichzeitig jedoch spionierte jener Philby über Jahrzehnte bis zu seiner finalen Enttarnung für den russischen KGB!
Hunt steht Weras wagemutigem Unterfangen zunächst skeptisch gegenüber, doch lässt er sich nach und nach faszinieren von den Ergebnissen ihrer Recherchen, die sich verweben mit seiner eigenen Vergangenheit und der seiner ehemaligen Kommilitonen aus der gemeinsamen Studienzeit in Cambridge, von denen er sich jedoch längst weitgehend distanziert hat.
Als einer von ihnen eines gewaltsamen Todes stirbt, und dies ausgerechnet in Hunts Arbeitszimmer, sieht letzterer sich unversehens als Hauptverdächtiger - und die Geschichte entwickelt sich zu einem spannenden Krimi, der überraschende Geheimnisse aufdeckt und an dessen Ende dem Leser klar wird, dass Spionage nach dem Ende des Kalten Krieges keineswegs der Vergangenheit angehört sondern weiter gedeiht, wenn sich auch die Schwerpunkte verlagert haben....

Die Autorin, eine bekannte Historikerin, die unter dem Pseudonym Hannah Coler schreibt, erweist sich als profunde Kennerin des Themas, dessen sie sich in dem Roman angenommen hat. Sie erzählt eine verzwickte, nur schwer durchschaubare Geschichte auf unterschiedlichen Ebenen geschickt und flüssig, versteht es hervorragend, den Leser gefangen zu nehmen und eintauchen zu lassen in eine dem Laien weitgehend unbekannte, gefährliche und schillernd-faszinierende Welt, die vielen nur aus den Romanen eines John le Carre, eines Graham Greene oder eines Ian Fleming, dem geistigen Vater des unverwüstlichen James Bond, bekannt sein dürfte. Und die, so mag der erstaunte Leser am Schluss feststellen, die Fiktion sogar noch übertrifft.

Darüberhinaus gibt Hannah Coler auch noch einen ebenso aufschlussreichen wie kritischen Einblick in Alltag und System einer elitären und ehrfurchtgebietenden Universität wie Cambridge und die Mechanismen, die hinter den Kulissen wirksam werden, um das System aufrechtzuerhalten, und die ein Bild werfen auf die britische Gesellschaft von heute, die sich, und das überrascht, seit dem Jahr 1934, als Philby & Co. ihre Geheimdiensttätigkeiten begonnen haben, und das auch den Beginn der zweiten Handlungsebene des Romans darstellt, kaum verändert hat!

Alles in allem haben wir es mit "Cambridge 5" mit einem anspruchsvollen, ob der komplexen Thematik nicht leicht und gewiss nicht nebenbei zu lesenden, jedoch vorzüglich geschriebenen und recherchierten Roman zu tun, für den ich eine klare Leseempfehlung ausspreche!